hatte ein feineres und besseres Gefühl als wir! Ich gab ihr den Rat, sich möglichst mit Frau Winterling nicht in Ge­spräche einzulassen, was sie, ohne weiter zu fragen, gern versprach.

Unser Arzt hörte sehr aufmerksam zu, was wir ihm er­zählten. Er war fest überzeugt, daß Frau Winterling Füh­lung mit dem Lehrer und dem Bürgermeister genommen hatte und mit ihnen gemeinsam gegen uns arbeitete. ,, Ver­suchen Sie so schnell wie möglich fortzukommen. Sagen Sie ihr, ich hätte Ihrer Frau eine rasche Luft- und Um­gebungsänderung verordnet. Noch besser wäre, wenn Sie heimlich fortgehen könnten, weil ich überzeugt bin, sie hat noch einen Coup vor und wird ihn in Szene setzen, wenn sie merkt, daß Sie abreisen wollen." Aber dies letztere war unmöglich, sie saẞ ja wie die Spinne im Netz und beobachtete jede Bewegung ihrer Opfer. ,, Halten Sie mich auf dem laufenden", bat der Doktor beim Abschied, ,, und wenn Sie irgendeine Hilfe brauchen, so denken Sie an mich."

-

-

Am Abend hatten wir dann eine Unterredung mit Frau Winterling, in der wir ihr sagten, der Arzt wäre mit mei­nem Befinden sehr wenig zufrieden gewesen was durch­aus den Tatsachen entsprach und habe einen schleuni­gen Ortswechsel- etwa die Gegend von Mittenwald angeraten. Frau Winterling war nicht ganz so liebenswür­dig wie sonst, aber wir trennten uns in äußerlich gutem Einvernehmen, nachdem wir die Wohnung zum 1. Juli ge­kündigt hatten.

Um so erstaunter waren wir, als drei Tage später mor­gens bei uns ein Angestellter der Reichenhaller Kurbehörde erschien, um zwischen unserer Wirtin und uns eine schwe­bende Mietstreitigkeit zu schlichten. Auf unser Erstaunen hin zeigte er uns einen Brief von Frau Winterling, in dem sie Forderungen wegen entgangenen Mietgewinns geltend machte. Sie behauptete, sie hätte uns drei Zimmer für wei­tere drei Monate vom 1. Juni ab vermietet, und jetzt woll­

40