bleiben. Was kann Ihnen denn geschehen? Nichts, denn dieses Vorgehen ist absolut ungesetzlich." Wir waren beide still und gingen in unsere Zimmer. Bald darauf kam Frau G., Resis Mutter, um ihre Tochter im Krankenhaus zu besuchen und uns vorher zu sehen. Aber sie hatte noch etwas Besonderes auf dem Herzen und wünschte, mich allein zu sprechen. ,, Ich hätte Ihnen schon längst etwas sagen sollen", begann sie bedrückt ,,, bei jedem Besuch, den ich bei Resi mache, beschwört sie mich, offen mit Ihnen zu reden. Aber es ging Ihnen so schlecht, und bis in die Au hinauf wollte ich Sie nicht damit verfolgen, doch nun kann und darf ich nicht länger warten. Sie haben sich, wie Resi mir erzählte, oft Gedanken darüber gemacht, daß sie bald nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus ganz gegen ihre Art so still gewesen sei. Das hatte seinen guten Grund. Frau Winterling begann, sich mit ihr zu unterhalten, sie auszufragen nach Ihnen und Ihrem Mann, ihr zu sagen, daß sie es ihrer Meinung nach gar nicht gut bei Ihnen habe, daß sie zu wenig und zu schlecht zu essen bekäme, und daß sie, Frau Winterling, ihr eine viel bessere und viel leichtere Stelle bei höherem Verdienst verschaffen könne, wenn sie, Resi, nur einwillige." Zudem seien wir Juden, minderwertige Menschen, mit denen die jetzige Regierung sicher bald aufräumen werde. Da sei es klüger, sich beizeiten von uns zu trennen. Resi hat versucht, sie zu widerlegen, aber sie ist gegen Frau Winterlings Redegewandtheit nicht aufgekommen. Da hat sie sich überlegt, sie wolle das schweigend über sich ergehen lassen, uns aber nichts davon sagen, da wir ohnehin Sorgen genug hätten und ja auch möglichst bald das Haus von Frau Winterling wieder verlassen wollten. Frau G. fuhr fort zu erzählen: ,, An dem Tag, an dem Sie, liebe Frau Doktor, aus der Klinik zurückkamen, war Resi darüber voller Freude, denn in der Zeit Ihres Fernseins hatte Frau Winterling sie häufiger und stärker bearbeitet als je zuvor. Resi war in die Küche gegangen, um das Geschirr
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