gangen bin, aufzuzeichnen, was wir seit 1933 erlebt haben. Du wirst vielleicht einmal später darüber lächeln, daß ich in diesen Tagen das Bedürfnis empfand, aber es kann auch sein, daß wir beide und vor allem die Kinder ganz gern nachlesen werden, was unserer und noch mehr ihrer Erinnerung teilweise entschwunden sein wird. Mir ist alles so nah und gegenwärtig, daß es mir fast wie eine Ent­lastung vorkommt, es aufzuschreiben und dann etwas mehr aus dem Gedächtnis zu verlieren. Laß mich also fortfahren. Ein Wohnungsangebot aus jenem Ort hatte Dich von vornherein angezogen, vor allem, weil Dich die Hand­schrift der Frau, die es geschickt, interessierte. Wir be­schlossen, zuerst dorthin zu gehen. Es ist müßig zu über­legen, ob alles anders, weniger schwer und peinvoll ge­kommen wäre, wenn wir ein anderes Angebot berücksich­tigt hätten. Wir betraten das Haus von hinten, da die Gartentüre zum vorderen Eingang sich durch den davor­liegenden ziemlich hohen Schnee nicht öffnen ließ. Der Hintereingang führte direkt in die Küche, einen wenig ansprechenden dunklen Raum mit kahlem Zementboden. Der Hausmeister als solchen stellte er sich vor besonders großer, kräftiger, noch junger Mann in SA.­Uniform trat uns entgegen.( Auch das und die Haken­kreuzflagge am Hause auf dem Kartenbild, das das An­gebot enthielt, hätten uns ein Warnungszeichen sein kön­nen!) Herr J. führte uns in den der Küche benachbarten Raum, in dem uns die Besitzerin des Hauses, Frau Win­terling, empfing. Sie war etwa vierzigjährig, immer noch schön, klug und liebenswürdig und überaus gewandt in ihrem Auftreten. Sie ging mit uns die Treppe hinauf, um uns die Räume zu zeigen, die sie vermieten wollte. Es waren vier Zimmer. Sie waren nett eingerichtet, und wir scheuten langes Herumsuchen. Wir sagten Frau Winter­ling, der man anmerkte, daß sie uns sehr gern diese Räume abgab, die außerhalb der Saison nichts einbrach­ten, mit dürren Worten, daß wir Juden und frühere Sozi­

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