schloß Frau Oberin R. ihren Bericht und klappte das Aktenstück zu. ,, Sie ist sehr ruhig gewesen, freundlich zu jedermann, die Mitgefangenen haben sie gern gehabt, und sie hat sich fleißig beim Stricken und Stopfen gezeigt." Ich habe dann herzlichen Abschied von dieser alten Be­kannten aus der vergangenen guten Zeit genommen und meine Schutzbefohlene, die, für meine Betreuung dankbar, sich mir genau so zeigte, wie die Vorsteherin sie geschil­dert hatte, sicher bis in ihren Zug gebracht. Das schlimme Erlebnis hatte sie nicht bitter, sondern eher aufgeschlos­sener für jede Freundlichkeit gemacht.

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Aber wohin habe ich mich verloren! Doch was tut es? Du wirst mich verstehen, wenn diese Blätter Dir, wie ich hoffe, unter die Augen kommen werden, und das ist die Hauptsache. Mir tut es wohl, wenn ich all das, was mir durch den Sinn geht, aufschreiben kann, ohne irgendwelche Einschränkungen einhalten zu müssen. Nun will ich aber wieder zum Jahr 1933 und zu den Tagen zurück­kehren, da wir in Schönau nach einer Wohnung, die auch für den Winter geeignet war, zu suchen begannen. Aus­gemacht war schon, daß Resi, die zweite Tochter der uns befreundeten Bauernfamilie G., zu uns kommen würde, um mir tagsüber im Haushalt zu helfen. Wir fanden dann schließlich, herrlich gelegen, auf weiter Wiese angesichts des Bergmassivs des Hohen Göll ein Wochenendhäuschen, das zwar noch niemals im Winter bewohnt gewesen war, uns aber sofort durch seine Lage und seine innere Ein­richtung bezaubert hatte. Alle Möbel im Häuschen waren eingebaut bis auf den großen Bauerntisch und ein paar Stühle, selbst die Betten und der Waschtisch in der Schlaf­kammer. Kochtöpfe und Eẞgeschirr wurden mitvermietet. Mit der Besitzerin wurden wir bald einig. Anfang Sep­tember zogen wir frohgemut ein. Der Wagen, der unsere Habseligkeiten enthielt, die sich inzwischen ziemlich ver­mehrt hatten, wurden von G.'s Kuh gezogen. Unser Sied­lungshaus bei Berlin war mit allem, was darin war, ver­

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