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Soldat- das ift eine redliche, gerade, tapfere Existenz. Er hat auch meist geftanden bis zuletzt. Aber hier ift weder Red/ lichkeit noch Geradheit noch Tapferkeit. Hier ift Schande. Denn nun beginnt jenes demütigende Schauſpiel, das un fere Nation mit Schmach bedeckt hat: mit einer einzigen Ausnahme, übrigens einem rechtfchaffenen, ordentlichen und menfchlichen Beamten unferes Gefängniffes, der fich zu feiner politifchen Überzeugung bekennt, mit diefer einen Ausnahme ift es keiner gewefen.
Was da eingeliefert wird, das ist nach den eigenen Auslagen eine Sammlung friedlicher, bürgerlicher Exiftenzen. Sie wa ren kirchentreu( das fagen fie alle zuerft) und fie waren menfchlich, fie find für die Juden eingetreten und für die Tschechen und Polen auch, fie haben keinem ein Haar ges krümmt, fie haben nur Befehle ausgeführt, aber fonft find fie harmlos, unvorftellbar harmlos. Harmlos ift der Orts gruppenleiter, zu deffen Bereich das Gefängnis gehört hat; die Beamten, faft alle felber Parteigenoffen, verftauen ihn mit unverhüllter Genugtuung- fie kennen ihren Häuptling. Ein richtiger Geftapo- Funktionär ift fo harmlos, daß er auf die einleitende Frage des Verhörs:„ Sie waren alfo bei der Ge ftapo?" nur antworten kann:„ Geftapo- was ift das?" Er hat aber auch vor feiner Verhaftung eine ganze Flafche Kognak getrunken( er hatte noch eine) und fieht nun ein wenig bleich und benommen aus. Nach feinen eigenen Ausfagen hat er hunderte von Pfarrern auf weltliche Berufe umgefchult, die alle froh gewefen wären, aus dem Kirchendienſt herauszukommen; als ihm der vernehmende Amerikaner ganz genau fagt, was er für einen Dienft gehabt hat, da fällt ihm im Augenblick gar nicht recht etwas ein, das er antworten könnte woher wiffen die Andern nur fo genau Befcheid? Dies Schaufpiel, das fich nun Tag für Tag und Mann für Mann
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