enifche Verhältniffe, folange wir nicht eingeteilt waren und unfere endgültigen Zellen bezogen hatten; der ftumme Kampf mit gedankenlofen Auffehern und äußerst boshaften Unternehmungen der Krimminellen gegen die Politiſchen, dazu eine Juftizmaſchinerie, die für irgend eine Form der ethifchen Selbstbehauptung keinen, auch nicht den gering ften Raum ließ. Wir halfen uns mit befcheidenem, grimmis gen Humor und einer beſtimmten Form der paffiven Refi ftenz: mit einer umftändlichen Kafernenhof Zackigkeit bei den geringften Verrichtungen, die alle antipreußischen In­ftinkte in unfern bajuvarifchen Hütern zum Weißglühen brachte, mit einer hemmungslofen Gründlichkeit beim Zel lenreinigen, fodaß unfre Behaufung noch in den erften rei nigenden Wafferfluten fchwamm, wenn die Andern schon zum Heraustreten fertig waren, und was dergleichen be fcheidene Unternehmungen mehr waren man fieht, daß

in diefer kleinmafchigen Umgebung auch unfere geiftige Selbstbehauptung nur nach kleinem Format geriet. Die zweite unliebfame Entdeckung war die von der Gewalt des Hungers. Zwar kannte ich fchon aus der Lehrter Straße jenes erniedrigende Hungergefühl, da man den Schatten vom gegenüberliegenden Gefängnisflügel langfam, unbe fchreiblich langfam über den glühenden Gefängnishof wan dern fah, bis er an die Stelle kam, die gleich einer Sonnen uhr die nächfte ,, Mahlzeit" ankündigte, und dawifchen lag. der heroifche, nicht immer fiegreiche Kampf mit der Ver fuchung, den nächften winzigen Brotwürfel vor der Zeit zu effen. Aber dies hier war anders. Hier kam der Hunger mit elementarer Gewalt, wie ein ftarker Gewappneter, der dich zu Boden wirft. Bis dahin kannte ich es noch nicht, daß einem vor Hunger fchwarz vor den Augen werden kann, und daß man fich nur mit größter Mühe und taumelnden Schrit

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