noffen" verliert immer mehr ihren Sinn, es ift faft, als gingen wir nur noch pro forma wieder ins Nürnberger Gefängnis. Aber die letzte Grenze ift noch da, dunkel und drohend. Wir warten auf den Morgen. Die Beamten haben es fehr eilig, in diefer Wirrnis noch wieder nach Berlin zu kommen; fobald der Tag graut und Fluchtverfuche nicht mehr fo wahr fcheinlich find, werden fie uns im Nürnberger Gefängnis ab liefern. Was weiter wird, wiffen fie fo wenig wie wir.
Der Schlußakt begann.
Aus dem zerftörten Bahnhofsgebäude machten wir uns in der Morgenfrühe auf, ein merkwürdiger Gefangenentrans port. Verkehrsmittel gab es nicht, wir mußten marfchieren. Unfere wenigen Habfeligkeiten waren trotz ihrer Dürftig keit auf die Dauer fchwer zu tragen, wir mußten oft ausruhen. Als wir die Hauptstraße, die Führt mit Nürnberg verbindet, in der Frühe diefes geheimnisvollen 6. April entlang zogen, kamen uns die Scharen des Volksfturm Aufgebotes entge gen, Zug um Zug. Noch fehe ich in der Erinnerung ihre Ge fichter in diefer kalkigen Morgenfrühe- betretene Gefichter betroffener, benommener Menfchen, die nicht mehr wiffen, wohin fie ein Gefchick verfchlägt, das fie längst nicht mehr ver ftehen, die aber auch- trotz allem- nicht mehr glauben. Das Geifterhafte fteigert fich ins Groteske: wir find die Geächte ten und jene find im Vollbefitz ihrer bürgerlichen Ehren- aber wer ift nun kümmerlicher dran? Die Grenzlinien und Vor urteile löfen fich auf wie der Einband eines fchlecht gebun denen Buches. Und wann wird die überhängende Wand ein ftürzen, und wen wird fie erfchlagen- fie oder uns?
Wir schritten in den kühlen, fehr nüchternen und doch ir gendwie unwirklichen Morgen hinein und bogen schließlich in jene Seitenstraße, die zum Zellengefängnis führt. Das breit hingelagerte Tor erſchien faft idyllifch im Vergleich zu der
104


