gen rechtzeitig zu befeitigen? Die späteren Ereigniffe haben bewiefen, wie nahe uns allen diefe letzte und wahrschein lichfte Möglichkeit war; die Opfer der letzten Mafchinenge wehrgarbe, die man in der Morgenfrühe des 23. April aus ihren Zellen geholt hatte, angeblich um fie zu entlaffen, fand man nach der Befreiung, nur flüchtig mit Sand bedeckt, Albrecht Haushofer hielt das Manufkript feiner Moabiter Sonette" in den erftarrten Händen.

Vorerft wuchs die Aufgeregtheit und Verwirrung auf Seiten unferer Schergen mit jedem Tage. Der neue Kommandant, eine etwas merkwürdige Erfcheinung, lief immer häufiger mit der Maſchinenpiftole umher; die Wachmannschaften wurden abgelöft, um an irgend einer Stelle der längst auf gelöften Front eingefetzt zu werden, und durch ältere Män ner vom Zollgrenzfchutz erfetzt; die zurückgebliebenen Un terführer der SS hielten es für richtig, täglich fchneidiger und brutaler mit uns umzugehen. Ein rotbäckiger Berliner unter ihnen fragte mich hämifch im heimatlichen Tonfall: Sie wol len doch Pfarrer fein- wie kann Gott denn nun mit einem Mal die Bolfchewiften über uns fiegen laffen?!" Worauf ich nur erwiderte: Zwölf Jahre habt Ihr Euch nicht um Gott gekümmert und alles allein gekonnt- nun foll er gut genug fein, die Verantwortung zu tragen?" Und als er darauf plötz lich ernsthaft, faft bekümmert ausfah, fügte ich hinzu: Ich fürchte, einige werden jetzt lernen müffen, was in der Bibel fteht: Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht ſpotten." Er ging fchweigend aus der Zelle.

Aber dann griff die unfichtbare Hand Gottes ein und teilte die Lofe zu. Abtransporte begannen.

Noch eine völlig unnötige geiftige Graufamkeit: meine Frau, die eine letzte fchriftliche Sprecherlaubnis hatte, die der Kommandant über eine Woche lang unter wechselnden Aus

99