Der Schluẞakt
In den bitterkalten Januar 1945, den wir in völlig ungeheiz ten Zellen verbrachten, drangen die Nachrichten von den Fronten immer alarmierender hinein. Natürlich gelangten fie auch zu uns; denn welche Kerkermauern könnten die Kunde von einer gefchichtlichen Stunde aufhalten, deren Zeit gekommen ist?
Die meiſten unter uns begriffen auch, daß nun der bei wei tem gefährlichste Augenblick unferer ganzen Haftzeit nahte. Der Unterfchied zwifchen den zum Tode Verurteilten und uns Anderen wurde mit jedem Tag unwefentlicher. Für die vom Todesurteil Bedrohten bedeutete zwar jeder Tag, da die Alli ierten näher rückten, Gewinn, aber um fo näher rückte damit für uns alle auch die letzte Grenze unferer Haft, über die wir eigentlich nur durch ein befonderesWunder Gottes hinüber gelangen konnten. Was würde die Geftapo tun, wenn die alliierten Truppen vor den Toren Berlins oder gar unferes Gefängniffes ftehen würden? Gerüchte wollten wiffen, daß fie an einigen Stellen beim Herannahen der Alliierten Menfch lichkeit geübt und die politischen Häftlinge entlaffen hätte. Oder würden fie uns einfach verlaffen und einem nicht ganz eindeutigen Schickfal preisgeben? Wahrfcheinlicher als beides war, daß fie fich im letzten Augenblick unferer ge waltfam entledigen würden; war es nicht von ihrem Stand punkt aus das einzig Vernünftige, folche unliebfamen Zeu
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