fich ununterbrochen fcheu nach den wenigen erkennbaren Vertretern diefer ehrenwerten Firma richteten. Es war wie der diefe geiſterhafte Umkehrung aller Dinge: wir, deren Schickfal ja im Grunde fchon entfchieden war, wenn wir dies Haus betraten, waren im Wefen unabhängiger und freier als jene, und die Sklaven faßen anderswo.
Schließlich ist es soweit.
Wir fitzen, von je zwei Schupos forgfältig bewacht, diearme Menfchen!- ununterbrochen unfern Rockärmel festhalten müffen, im Saal, die„ Sachverständigen" und„ Ge ladenen" haben Platz genommen. Die gegenüberliegende Tür tut fich auf, der ganze Saal erhebt fich, das höchfte deut fche Gericht betritt den Verhandlungsraum. Alles, was nicht angeklagt ift, erhebt die Rechte zum, deutfchen Gruẞ", wir dürfen es nicht!
Es ift fofort klar, daß die beſtimmende Geftalt der gefürch tete Freisler ift.
Als er ,, die Toga läffig umgehangen", Platz genommen hat und nun die Verhandlung eröffnet, fetzt mich ein unerwarteter Zug in Erftaunen- das völlig unjuriftifche Pathos. Er spricht nicht mit der zackigen, fchneidenden Schärfe des Oberna zis, fondern in dem hohlen paftoralen Tonfall eines deutſch chriftlichen Superintendenten . Aber ich überwinde diefen un vermuteten Eindruck bald und faffe nun diefe Erscheinung fchärfer ins Auge. Ich habe den gleichen Eindruck wie bei einigen andern führenden Männern des Dritten Reiches : ein ursprünglich gutes, beinahe edles Geficht, mit scharfge schnittenen, klaren, geiftigen Zügen; aber dies Bild ift gleich fam von innen her zerfallen, die Zeichen eines grauenhaften inneren Verkommens fcheinen unverkennbar durch. So ift nun auch der Menfch und Richter Freisler. Mir ist bekannt, daß ihn die Juriften für fehr befähigt hal
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