Zunächst wurden wir in einem Vorzimmer zum Warten, ab geftellt". Wieder hatte ich Gelegenheit, mich über jene Bru talität zu wundern, die in der Form der Gedankenlofigkeit auftritt. Die uns hier bewachenden Beamten waren von der Juftizverwaltung, einige von ihnen offenfichtlich alter Schule; den meisten unter ihnen würde ich wohl, wenn auch nach ei nigem Nachdenken, das Prädikat rechtfchaffen" nicht ver weigern. Aber obwohl neben dem gefamten Bewachungs apparat noch auf jeden Gefangenen zwei( in Worten zwei!) Schutzpolizeibeamte kamen, wurden uns die Feffeln nicht abgenommen; das gefchah erft im letzten Augenblick vor dem Betreten des Verhandlungsfaales, als es galt, den An fchein der freien Vorführung zu wahren; und da irgend eine Sitzgelegenheit nicht vorhanden war, ließ man uns einfach nach uraltem militärischem Vorbild in Reih und Glied ftehen, was einigen aufgeregten Seelen unter den Mitgefangenen, befonders auch einigen Alten und Kränklichen, nur unnö tige Erfchöpfung verurfachte. Statt deffen wurden wohl drei mal unfere Namen aufgerufen; der verlefende Beamte mach te, wie es fo bei vielen fremden Namen zu gehen pflegt, viel dabei falfch, und da außerdem die dazugehörigen Perfonen immer wieder verwechselt wurden, war das Ganze ziemlich finnlos. Es reichte gerade zu einer Demonftration einiger Wes fenszüge, die einen beſtimmten Beamtentypus immer wie der unerfreulich zieren: finnlofer Formalismus, Gedanken lofigkeit und Mangel an humaner Initiative. Nicht zuletzt Furcht vor dem Nächfthöheren.

Das war in diefem Falle eindeutig die Geftapo. Mir ist es heute fo unintereffant wie damals, ob die Geftapo die Urs teile fchon fertig hatte,( daß ihr Einfluß praktiſch auf das Gleiche hinauskam, ift wohl außer Zweifel); mir war nur bes merkenswert, daß auch die Juftiz- und Schutzpolizeibeamten

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