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des Dritten Reiches im fcheinbar unerfchütterlichen, furcht erregenden Gleichmaß; aber draußen erhafchte das Auge immer größere und grauenvollere Partien jenes Trümmer feldes, das Berlin hieß. Auch das Haus des Volksgerichtshofes war schwer betroffen. Vernagelte Fenfter, befchädigte und mühfelig wieder geflickte Innenwände hatten dem höchften deutfchen GerichtWefentliches von feinerWürde genommen. Um fo mehr hatte man fich bemüht, dem Verhandlungsraum den Charakter amtlicher Feierlichkeit zu geben. Aber es war ein kläglicher Verfuch. Keine Tribüne für das höchfte deuts fche Gericht, keine befonderen Zeugenftände( es waren auch keine da), keine befondere Anklagebank( die übrigens auch nicht nötig war, weil praktiſch der ganze übrige Raum An klagebank war!), die„ Sachverständigen", d. h. die Vertreter fämtlicher Nazi- Behörden, und die„ Geladenen", d. h. die bes fohlenen Zuhörer, Ritterkreuzträger der Wehrmachtsteile, hatten fchlicht um uns an den Wänden herum Platz genom men, die wir, von einem wahren Heer von grünen Polizeibeamten behütet, in der Mitte des Saales faßen. Ganz hinten an der Wand waren, fchweigend und unauffällig, die Vertre ter der Geftapo, die wohl der eigentliche ftumme Herr auch diefes Saales war. Aber weder das Bild des Staatsoberhaup tes, das als einziges Schmuckstück in einer etwas mittelmäßi gen Bildwiedergabe drohend von der Wand blickte, noch die fcharlachroten Roben der„ Volksrichter" und noch weniger das grelle Licht aus zwei Jupiterlampen, das auf uns gerich tet wurde, fobald wir an den Verhandlungstisch traten, vers mochten dem Ganzen einen wirklich feierlichen Glanz zu geben; der Saal wirkte wie das Bundeslokal eines vorftäd tifchen Kriegervereins. Es war wieder diefer geifterhafte Zugdas Symbol einer fchon langfam zerfallenden politischen Existenzform.


