nun zur Marine gegangen ift. Nach feinem letzten Urlaub hatte er fich darauf gefreut, eine Strecke mit mir zu rei fen und hatte mir einen Platz in feinem Abteil freihalten wollen. Ich war erst im letzten Augenblick an den Zug gekommen und hatte auf Grund meiner Netzkarte noch rafch im letzten Wagen, einem II. Klaffe Wagen, vorläufig Platz genommen; als ich während der Fahrt nach vorn ge hen wollte, ftellte fich heraus, daß diefer Wagen nicht mit den anderen verbunden war. Ich weiß nicht, wo er nun ift, und wo fein U- Boot fein mag; vielleicht habe ich ihn um eine feiner letzten irdifchen Freuden betrogen. Keine große Sache, aber wer will die Verfchuldungen wägen im Angefich te der Ewigkeit?
Es ist ein Gefühl völliger Wehrlofigkeit gegenüber der eige nen Vergangenheit; nichts, keinen einzigen Handfchlag kann ich mehr an ihr ändern, mit unabänderlicher Abgefchloffen heit ſteht fie da.
Aber es ift gerade dies Gefühl völliger Wehrlofigkeit, das mir den Weg zu Gottes Erbarmen öffnet. Denn mit der glei chen Wehrlofigkeit ftehe ich ja meinen großen Sorgen ge genüber. Was foll aus den Meinen werden, wenn jetzt mein Leben zuende geht? Meine Kinder find aufs Land evaku iert und befuchen in einer Kleinſtadt mit unwahrscheinlich begrenztem Horizont eine Schule, die von denkbar engſten NS- Maßstäben beftimmt ift. Es ist völlig ausgefchloffen, daß die Kinder eines Mannes, der als Verräter am Dritten Reich in Haft fitzt und vielleicht als folcher hingerichtet wird, eine geordnete Zukunft haben könnten; diefe Kleinſtadt wird ebenfo unbarmherzig fein, wie fie uneinfichtig ift. Meine Feffeln werden zum Symbol; ich kann keine Hand rüh ren, ihnen zu helfen. Für einen Mann eine völlig unerträg liche Lage.
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