Ein weiteres Zeichen für den Ernft der Lage war jene un bewußte Behutfamkeit der Gefängnisbeamten, die der gut­geartete Menfch von felbft gegenüber Schwerkranken oder fonft vom Schickfal Gezeichneten annimmt. Es waren wür dige Objekte folcher Sorgfamkeit in unferer Mitte. Da war jener alte, uralte Kölner Kanonikus, der in feiner Gebrech lichkeit beim morgendlichen Spaziergang immer nur einen kleinen inneren Kreis abzufchreiten vermochte und deffen feinen, faft zarten Gelehrtenhänden die Feffeln viel zu fchwer waren- ein rührendes Bild. Die Beamten behandelten ihn mit unauffälliger Sorgfalt. Da war einer der beiden Brüder von Lüning, der ein schweres Magenleiden hatte und den ich nächtens in der Zelle nebenan oft ftöhnen hörte; nicht felten trat dann einer der Beamten vom Nachtdienst an feine Zellentür, um mit rauher, des Mitleids ungewohnter Stim me fein Mitgefühl zu bezeugen. Er litt offenbar unfäglich; ich habe es bewundert, daß er trotzdem immer wieder einem jüngeren Verwandten, der fehr unter dem Hunger litt, ein Stück feines koftbaren Weißbrotes beim Appell zuzuftecken verftand.

Von diefem jüngeren Offizier, der mir auch zuerft von dem Tode Schulenburgs und Adam Trotts fowie einiger anderer fichere Nachricht geben konnte, erfuhr ich auch Näheres über die uns zugedachte Hinrichtungsart. Denn ihn hatte man ge fchmackvollerweife diefer Prozedur zur Probe unterzogen. Er war in einen kleineren faalartigen Raum geführt, von deffen niedriger Decke die Halsfchlingen, an Schrauben be feftigt, herunterhingen. Man mußte, natürlich mit auf den Rücken gefeffelten Händen, einen Schemel befteigen und den Kopf in die Schlinge ftecken. Dann trat ein SS- Mann den Schemel zur Seite, und das Opfer baumelte- ein ebenfo einfaches wie wirkfames Verfahren. In feinem Falle hatte die

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