ften Befucher meiner Predigten gewefen und hatte noch am Sonntag vor feiner Verhaftung an Gottesdienft und Abend­mahl teilgenommen.

Ganz fpontan und die Situation völlig außer acht laffend, hatte ich X auf diefe Erinnerung hin angesprochen, als mich der Kommandant barfch unterbrach: Ich habe die Herren hier nicht zu perfönlicher Unterhaltung zufammengebeten" und dann fortfuhr: Sie haben gebeten, daß der Divifions pfarrer Y, Ihr Freund, Sie heute Abend feelforgerlich befu chen möchte. Diefe Bitte habe ich Ihnen leider nicht erfüllen können, aber hier ift Dr. L., der einige Worte an Sie richten wird". Das war die erfte Mitteilung über das, was von mir erwartet wurde. Der Graf fagte, daß er eigentlich beichten und das Abendmahl hätte halten wollen. Ich fagte fofort, daß ich auch dazu bereit fei, und der Kommandant widerfprach nicht. Ein kleiner, filberner Becher war da, ein wenig Wein und etwas Weißbrot, von dem ich die Hoftien schnitt. Inzwis fchen war auch Nr. 212" hergeführt, es war der zum Tode verurteilte Geigenfpieler. Der Poften wurde wieder hinaus gefchickt, fo waren wir vier Männer in der Zelle. Der Violiniſt ſpielte auf Befehl des Kommandanten einen Weihnachtschoral, mehrftimmig und wundervoll, und ich las- in diefer Zelle und vor diefer Gemeinde"!- das Weih nachtsevangelium: Es begab fich aber zu der Zeit..." Dann spielte der Geiger noch einen Weihnachtschoral, und ich hatte in der Zwifchenzeit meine Gedanken foweit ordnen können, daß ich einige Worte über das Prophetenwort fprechen konn te, das mein Nachdenken ganz erfüllt hatte, als ich gerufen wurde. Ich habe meinem mitgefangenen Bruder gefagt, daß heute Abend wir eine Gemeinde feien und daß uns dies große Wort der Verheißung Gottes genau fo gelte wie denen vor einem Jahre( unter denen fein Bruder noch gewefen war)

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