Diefer knapp mittelgroße, fehr dunkelhaarige und fehr ex­zitable Menfch war wegen feiner Verhöre gefürchtet. Er hatte alle Hauptbeteiligten am 20. Juli, vor allem die zuerft Ver urteilten, in feinen Vernehmungen zur Strecke gebracht und genoß unter den Seinen den Ruf, diefe Dinge weitaus am beften zu verftehen. Als es mir gelang, auf einer Aktenmappe oder einem Briefumschlag feinen Namen zu entdecken( fonft hüllte fich dies Haus bekanntlich in eine fürchterliche Anony mität), war mir fofort klar, daß ich der gefährlichften Gruppe zugeordnet war.

Zunächst ein retardierendes Moment: fein Verhalten mir ge genüber war anfänglich durchaus das eines Gentleman. Ich wurde nicht gefeffelt, die Verhandlungen fanden in den leder nen Klubfeffeln der Geftapo ftatt, und felbft als fich ſpäterhin Drohungen und Befchimpfungen einftellten, wurde ich doch nicht gefoltert, wie es in diefen Räumen und bei diefen An läffen üblich war. Für diefen etwas erftaunlichen Vorgang, der fich öfter ergeben hat, früher fchon, und später auch vor dem Volksgerichtshof bei der Vernehmung durch Freisler, habe ich nach wiederholtem Nachdenken nur eine Erklärung gefunden: ich habe oft genug mit Weltkindern" zu tun ge habt, die irgendwo in der Tiefe ihrer Seele noch eine atavi ftifche, abergläubifche Scheu vor dem geiftlichen Stande hat ten und wohl aus dem ihnen felbft unbewußten Streben her aus handelten, nachzuweifen, daß fie fo böfe nicht feien. Aber das hinderte ihn nicht, fich bald im vollem Glanze feines wohl erworbenen Rufes zu zeigen. Nach einigen einleitenden Formalitäten zur Perfon" begann das Verhör, das mich in wenigen Minuten aus dem Bewußtfein, ein friedlicher Bürger zu fein, dem im Ernft nichts nachzuweifen war, herausriẞ und mir deutlich machte, daß es um mein Leben ging. Denn ich begriff, daß es hier garnicht darauf ankam, einen Sachver

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