mend leer wirkte. Da ftieß plötzlich von irgend woher ein Falke in das lichte Blau über uns und zog hoch oben feine wunderbaren Kreife- ein herrliches Bild kreatürlicher Frei heit! Irgend eine Beute, die er hätte erfpähen können, gab es in diefem leeren Gefängnishofe nicht; fo hatte ich den Ein druck, er fei auf Gottes Geheiß gekommen, und das Wort Calvins zum 104. Pfalm zog mir tröftlich durch den Sinn: Status mundi in dei laetitia fundatus est.Wenn uns die Über welt gegenwärtig ift und als die größere und mächtigere Wirklichkeit über unferer äußeren Welt fteht, empfinden wir auch den geringften Strahl, der von ihrer Herrlichkeit auf unfern Weg fällt, mit mehr als alltäglicher Bedeutung. Ganz unvergeßlich, fodaß ich heute noch die Atmoſphäre zu fpüren glaube, war der Tag, da wir zuerft zu einem kur zen Spaziergang ins Freie kamen, ein Oktobertag, von jener durchfichtigen Klarheit des hohen Herbftes, die ich über alles andere im Jahr liebe.
Es war in Tegel , wo der fehr pedantifche, aber geregelte Tageslauf der preußischen Juftizverwaltung galt. Da niemand daran gedacht hatte, das Gegenteil anzuordnen, wurden wir nach der Hausordnung früh auf den Hof zum Spazier gang gebracht. Der Tag war von faft fommerlicher Wärme. Wunderbar leuchtete das erfte zarte Herbftgold einer Birke über die hohe Mauer, und unwahrscheinlich füß war es, die Luft, diefe reine, herbftliche Luft zu atmen. Während ich fie förmlich trank, fuchte ich vergeblich nach den großen Stel len unferer klaffifchen Dichtung, da die Luft der Freiheit be fungen wird;' weil mein Gedächtnis fie nicht hergab, hielt ich Einkehr bei dem Lobgefang der Pfalmen. Diefer Augenblick nach wochenlanger Abgefchloffenheit war unvergeßlich.
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