antworten. Dann wird mir wie jedem Häftling abgenom men, womit ich Unheil ftiften könnte: Hofenträger, Kravatte und Gürtel, weil man fich damit aufhängen kann, den Ra fierapparat läßt er mir, aber ohne Klingen, weil man fich mit ihnen die Pulsader auffchneiden kann, auch die unfchul digen Sockenhalter müffen herunter( welches Unheil könnten fie eigentlich anrichten?), felbft die harmlofen Schnürbän der müffen aus den Stiefeln heraus; und trüge ich nicht ein fportliches Hemd, fo müßte ich auch noch die Schmach er tragen, die jeden gut angezogenen Gentleman tief treffen muẞ: ohne Kragen, nur mit einem Kragenknöpfchen beklei det, herumzulaufen. Aber nun wird es ernſter: außer den Ausweispapieren müffen auch Geld und Wertfachen abges geben werden: mein goldener Siegelring und meine schöne Schweizer Armbanduhr, mein Füllfederhalter und mein fil berner Vierfarbenftift, ja, fchließlich auch mein Trauring. Ich habe fie nicht wiedergefehen.

Am fchlimmften ift, daß ich auch Bibel und Neues Teftament abliefern muß. Kein Einwand hilft; weder der, daß ich Pfarrer bin und die Geftapo fonft meinen Pfarrerfreunden die Bibel belaffen hat, noch, daß ich morgen meinen 45. Geburtstag damit beginnen wollte, einen Pfalm zu lefen: Bei uns gibt es das nicht". Und damit händigt er mir meine Zimmer, nummer" aus.

Schließlich ist alles fo weit, daß ich zu meiner Zelle durch gefchleuft werden kann. Ich lerne, daß ein Inhaftierter mit dem Geficht zur Wand warten muß und fich bei taufend fchrecklichen Strafen nicht umfehen darf; ich lerne, daß man im Gefängnis des Reichsficherheitshauptdienftes die laute und vernehmliche Diktion mit eindeutig brutalem Einschlag liebt. Ein kleiner fchwärzlicher Schrumpfgermane in Hemds ärmeln, ohne Uniform, der fortgefetzt Nummern in die hohe

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