Er hatte immer noch eine bedenkliche Stirn gezogen. Typhus! Auch dieser Fall fast hoffnungslos, frotz aller angewandter Mittel.
Frau Lupiskaja bestand darauf, ihr Kind selbst zu pflegen. Sie wollte auch die volle Wahrheit wissen. Durfte man es ihr sagen, welch' ein Wagnis sie unternähme? Ja, sie war eine kluge, resolute Frau, man konnte aufrichtig zu ihr sein. Todesgefahr!
Frau Lupiskaja biß die Zähne zusammen, sie hatte nicht geschrien, nein, sie wollte kämpfen, kämpfen mit dem unerbittlichen Tod.
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,, Typhus? Wieso? Warum? Habe ich es an Sorgfalt fehlen lassen, habe ich meine Pflichten versäumt, daß Gott mich so strafen müßte?"
So hatte sie den Blockarzt gefragt. Der zuckte die Achseln, schüttelte den Kopf.
,, Schuld, ich bitte Sie, gnädige Frau, eine Mutter wie Sie?! Ansteckung! Höchstwahrscheinlich Ansteckung. Gestern begruben wir einen Kollegen, Dr. Wolf. Sie haben ihn auch gekannt."
,, Ja, natürlich, der junge Arzt, der hier im Hause die Lungenkranken betreute. Er war noch vor einigen Tagen hier gewesen."
,, Ja, sehen Sie! Er bekam Diphtherie, verschleppte diese und war nicht mehr zu retten. Das Heilserum wurde zu spät eingespritzt."
Der Arzt nahm das zarte Händchen und fühlte nach dem Puls der Kranken. ,, Immer noch Fieber, es ist unbegreiflich
,, Doktor, ich muß Ihnen noch sagen, daß Sonja ihre Regel in Theresienstadt verloren hat."
,, So, auch Ihre Tochter? Es ist unbegreiflich, fast die ganze weibliche Jugend leidet daran."
Frau Lupiskaja seufzte. ,, Gibt es keine Mittel dagegen?"
,, Nein! Es ist die ganze Lebenshaltung, die geändert werden müßte. Die gefährlichen, gesundheitschädlichen Suppen. Die Ärzte sind machtlos."
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