Und je schneller die Fettpartikelchen unter der Haut verschwanden, um so mehr kamen die unzulänglichen Charaktereigenschaften ans Tageslicht. Nur wenige bewahrten ihre Haltung und vergaßen nicht ganz, was sie draußen einmal gewesen waren. Der eine schlich heimlich an die Mülltonnen, kramte sich die schmutzigen Abfälle heraus und aß sie. Der andere, der früher sicher nichts angerührt haben würde, was ihm nicht gehörte, begann zu stehlen und Neid und Hunger führten zu den ärgsten Beschimpfungen und Verdächtigungen, wenn ein anderer einmal’eine etwas größer geratene Portion erhielt. Die Tischältesten und Stubenältesten hatten oft einen schweren Stand. Selbst da, wo man es kaum annehmen sollte, ver-| schwanden alle anderen Interessen vor der einen| Frage: Wo bekomme ich etwas Eßbares her? Für ein Stückchen Brot hat mancher einst stolze Akademiker wochenlang den Klosettreinigungsdienst eines ande-| ren Kameraden übernommen. Für einen Zigaretten- stummel wurden die albernsten, niemals zu erfüllen- den Versprechungen gemacht. Im Lagerjargon hießen diese Unglückseligen„Berber‘. Sie begaben sich aller Achtung, schafften sich durch ihre ewige Bette- lei Feinde über Feinde und fielen als erste, wenn der große Mäher Tod durch unsere Reihen schritt, denn niemand wollte ihnen mehr helfen, weil fast jeder von ihnen schon einmal betrogen worden war. Es ist im Leben draußen schließlich nicht viel an- ders. Nur vollzog sich im Lager diese Verwandlung viel schneller, krasser und viel sichtbarer. Wer stol- 72 der Hunger sein Zerstörungswerk an Leib und Seele,|


