Tag für Tag rauchte der Schornstein und verbreitete einen bestialischen Gestank. Eine Baracke nach der anderen wuchs aus dem Bo- den, eine Terrassenach der anderen wurde fertigge- stellt, und das Lager bekam allmählich ein Gesicht. Der Herbst kam und schließlich breitete der Win- ter seinen weißen Mantel über den Berg, auf dem wir in fast tausend Meter Höhe hausten. Langsam vervollständigte sich auch die Einrichtung der Ba- racken. Aber immer noch wurde auf dem Struthofe sekocht, denn der Küchenblock im neuen Lager war noch nicht fertig. So marschierten wir also mittags allesamt ins Tal, empfingen unser karges Mittag- essen, und mußten es, weil die alte Unterkunft lange schon anderen Zwecken diente, im Freien einnehmen. Wie oft standen wir bis an die Oberschenkel im Schnee und waren noch froh, wenigstens ein paar Löffel warmer Suppe in den Magen zu bekommen. Wer dachte noch an die schönen Versprechungen, die uns der Kommandant einst in Sachsenhausen gemacht hatte! Wir waren stumpf geworden, wir mochten gar nicht mehr nachdenken. Überhaupt war die Metamorphose des Häftlings eine der interessantesten Erscheinungen im Lager. Alle Neuzugänge waren in den ersten Tagen ihres Lagerlebens ängstlich und unsicher. Nach einiger Zeit begannen sie dann aufzutauen, wurden gesprä- chig und man konnte mit ihnen sofern sie dazu bil- dungsmäßig in der Lage waren über Kunst, Phi- losophie und andere Dinge reden. Aber lange hielt zumeist auch dieser Zustand nicht an, dann begann 71