wer hat denn Hitler die Macht gegeben? Es hat immer Menschen gegeben und wird immer Menschen geben, die im Irrtum befangen sind. Auch Verbrecher und Wahnsinnige werden nie aussterben. Aber daß man einem solchen Menschen die Macht in die Hand gibt, das ist die große Schuld. Und wer hat sie ihm gegeben? Nicht das deutsche Volk in seiner Gesamtheit. In der letzten Wahl, die noch frei war, im November 1932 hat Hitler nur 32 Prozent der Stimmen bekommen. Selbst in der entscheidenden Wahl im März 1933, die aber nicht mehr ganz frei war und vor allem unter dem Eindruck des sogenannten Reichstagsbrandes stattfand, erhielt er 44 Prozent. Niemals hat das deutsche Volk in seiner Mehrheit Hitler gewählt, als es wählen konnte. Aber gerade deswegen müssen wir uns fragen, wie war es möglich, daß die anderen Parteien, die zusammen die Mehrheit hatten, die Machtergreifung Hitlers nicht verhindert haben. Alle Parteien haben hier Fehler begangen. Zunächst die roten Par­

teien.

Die Kommunisten haben selbst in ihrem Aufruf vom 11. Juni 1945 ihre Fehler zugegeben. Durch ihren Kampf gegen den Parlamentaris­mus haben sie eine Zusammenarbeit von vornherein unmöglich ge­macht. Ihr ewiges Geschimpfe über die Demokratie war für Hitler Wasser auf seine Mühle. Dazu kommen aber die allgemeinen roten Fehler, die in gleicher Weise die Kommunisten und Sozialdemokraten begangen haben. Wir müssen darüber reden im Interesse der histo­rischen Wahrheit, aber wir wissen, daß sich im Sozialismus viel geän­dert hat.

Der Sozialismus von heute ist nicht mehr der alte Sozialismus. Es ist ein weiter Weg vom Kommunistischen Manifest 1848 bis zum Aufruf der Sozialistischen Partei 1945. Es waren vor allem vier Ge­dankengänge, die eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten in der Vergangenheit unmöglich machten.

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Der unglückliche Angriff auf das Eigentumsrecht. Wir den­ken an das unglückselige Wort Eigentum ist Diebstahl". Es war klar, daß gegen diese Einstellung alle protestieren mußten, die noch an die zehn Gebote Gottes glaubten. Heute glaubt kein Sozialist mehr an dieses Wort. Aber es ist notwendig, daran zu erinnern, um zu begreifen, warum eine Zusammenarbeit früher einfach ein Ding der Unmöglichkeit war.

Der unglückliche Traum der Gleichheit aller Menschen. Es ist doch merkwürdig, welche Veränderungen man erleben muß. In mei­ner Jugendzeit wurde der katholischen Kirche immer vorgeworfen, daß sie die Ungleichheit der Menschen lehre, während doch in der Bibel geschrieben stünde, die Menschen sind gleich, wobei man aller­dings immer vergessen hat, zu beachten, daß es ausdrücklich heißt,

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