rer Zeit gegenübersteht. Damit hat der Papst das berechtigte Korn chen Wahrheit des alten Liberalismus anerkannt und das Tor zur Verständigung auch nach dieser Seite aufgemacht. Ich habe das, Ge- fühl, daß die meisten Menschen, auch die meisten Priester, noch gar nicht merken, was das bedeutet. Es ist wirklich so: der Gedanke der Union liegt heute m der Luft.

Die Schuld der Vergangenheit

Es wird ‚heute sehr viel über die Schuld des deutschen Volkes ge- sprochen. Die Gerechtigkeit verlangt, daß man hier sehr vorsichtig ist. Auf evangelischer Seite redet man viel von Kollektivschuld. Theologisch gesehen, ist das nicht falsch, aber man müßte dann von der Kollektivschuld der Menschheit sprechen; denn Papst Pius XI. hat sicher recht, wenn er in seiner Weihnachtsbotschaft 1943 sagt: Wer hätte das Recht, sich für ganz schuldlos zu halten? Es geziemt sich, daß auch die Christenheit den Teil der Verantwortung sich vor Augen halte, der auf sie fällt; oder haben vielleicht nicht auch viele Christen Zugeständnisse gemacht an jene falschen, vom kirchlichen Lehramt so oft verworfenen Ideen und Weltanschauungen? Jede Lauigkeit und jedes vorschnelle Liebäugeln mit Menschenrücksichten, jeder Kleinmut und jedes Schwanken zwischen gut und böse in der christlichen Lebensführung, in der Kindererziehung und in der Lei- tung der Familie; jede geheime oder offene Sünde; all dies und was man noch mehr hinzufügen könnte, war und ist ein beklagenswerter Beitrag zu dem Unheil, das heute die ganze Welt erschüttert.

Ein anderes Gesicht bekommt die Schuldfrage, wenn wir sie unter dem politischen Gesichtspunkt ansehen. Hier-gilt zunächst das Wort aus Dreizehnlinden:

Und da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen,

kann ein ungetrübtes Auge rückwärtsblickend vorwärts schauen.

Darüber kann kein Zweifel sein, daß der Löwenanteil an der Schuld den Nationalsozialismus und alle, die ihn stützten und förder- ten, trifft. Hier kann man leider mit vollem Recht sagen:Das alles verdanken wir dem Führer. Ohne Hitler wäre der Krieg nicht ge- kommen, ohne Hitler kein Luftkrieg, keine zerstörten Städte, ohne Hitler kein Chaos. Ich habe ein Recht so zu sprechen, denn ich habe seit dreiundzwanzig Jahren den Nationalsozialismus als Häresie und als ein Unglück für unser Volk bezeichnet und bekämpft, auch zu einer Zeit, wo es gefährlich war, das zu sagen. Gerade deswegen rede ich heute nicht gern davon, heute, wo es nichts mehr kostet und wo es geradezu Mode geworden ist, über die Nazi zu schimpfen.

Wenn wir die Schuldfrage erschöpfend behandeln wollen, müssen wir zunächst von den Fehlern des Nationalsozialismus sprechen. Aber

19