Atombombe immer mehr einsehen gelernt, daß die Materie, die doch früher als undurchsichtiger Stoff galt, eigentlich gar keine Ma­terie ist, sondern eine ungeheure Zusammenballung von Kräften, also etwas Dynamisches, nicht etwas Statisches. Von der anderen Seite her hat die reine Philosophie immer mehr den Boden des so­genannten ,, Dinges an sich" verlassen und hat auch vom Standpunkt des Kritizismus aus den Weg zum Sein, zur Ontologie, gefunden. Was jahrhundertelang getrennt war, begegnet sich jetzt, und es kommt alles darauf an, ob es der philosophia perennis gelingt, diese Begegnung fruchtbar zu gestalten und vom natürlichen Sein aus den Durchbruch zum ewigen Sein zu finden. Hier eröffnen sich Perspek­tivén von gigantischem Ausmaß. So könnte der Umbruch doch ein Segen werden für die Menschen.

Auch das religiöse Gebiet wird vom Umbruch der Zeit nicht unberührt bleiben. Die ewigen Wahrheiten bleiben zwar immer die gleichen, aber die Art und Weise, wie sie an den Menschen beran­getragen werden, der Grad der Aufgeschlossenheit des Menschen kann sehr verschieden sein. Diese Spannung, die sich ergibt aus der unver­änderlichen Statik des Ewigen und der stets veränderlichen Dynamik des zeitbedingten Menschen zeigt sich zunächst schon in der Seel­sorge. Die ordentliche Seelsorge wird zwar nicht unberührt blei­ben von den Auswirkungen des Umbruchs, kann aber doch wesent­lich sich nicht ändern. Sie hat eben immer das ewige Wort Gottes hineinzupredigen in die Zeit, hineinzutragen in die aufgewühlten Herzen. Eine andere Frage ist es, ob die außerordentliche Zeit, in der wir leben, nicht außerordentliche Methoden oder Einrichtungen in der Seelsorge wünschenswert macht. Da liegt mir vor allem eines am Herzen, ein alter Lieblingsgedanke von mir: Wir brauchen eine systematische Erwachsenenbildung. Wir haben sehr viel geleistet in der Bildung des Kindes, aber die systematische Un­terweisung der Erwachsenen ist dabei zu kurz gekommen. Die Sonn­tagspredigt allein genügt nicht zu systematischer Schulung. Da spielen zu viele liturgische, caritative und sonstige zeitbedingte Aufgaben herein. Ein Mitbruder hat einmal ausgerechnet, daß von den fünf­undsechzig Sonn- und Feiertagen im Kirchenjahr eigentlich nur sieb­zehn frei sind für die Wahl eines beliebigen Themas. Alle anderen sind gebunden an gewisse, alle Jahre sich wiederholende Aufgaben. Mit siebzehn Sonntagspredigten, die sich noch dazu auf das ganze Jahr verteilen, läßt sich eine systematische Schulung nicht verwirk­lichen. Dazu kommt die bedauerliche Predigtflucht, vielfach auch im gläubigen Volk. Dabei wissen wir doch alle, wie wenig unser Volk in religiösen Dingen weiß. Hier muß Wandel geschaffen werden. Ich sehe keine andere Möglichkeit, als daß man regelmäßig jede Woche

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