Seite

r

1

r

i

S

S

g

S

t

g

t

T

t

T

1

richtungslos geworden ist. Selbst Rosenberg hat die Richtigkeit des­sen erkannt und geschrieben: Kein oberster Grundsatz, keine höchste Idee beherrscht unbestritten das Leben der Völker, Gruppe ringt gegen Gruppe, Partei gegen Partei." Falsch sind nur die Fol­gerungen, die er daraus gezogen hat. Auch Papst Pius XII. spricht in seiner Weihnachtsrundfunkansprache 1942,, von der innerlich rich­tungslos gewordenen Menschheit". Das ist also eine Krankheit der ganzen Menschheit; aber gerade das deutsche Volk hat sich schon immer besonders durch seine innere Zersplitterung ausgezeichnet. Das fühlt man sogar heute in unserer traurigen Situation. Man ist höchstens einig im Negativen, man spricht von der antifaschistischen Einheitsfront, aber eine positive Grundlinie läßt sich nicht finden.

Sittenlos. Ich denke hier gar nicht in erster Linie an unsere lieben Frauen und Mädchen, die sich oft so weit vergessen; das ist vielleicht eine allgemeine Erscheinung überall, wo Soldaten erscheinen. Ich denke daran, daß z. B. auch das siebte Gebote in weiten Kreisen unseres Volkes, auch unter gläubigen Christen, heute nicht mehr lebendig im Bewußtsein lebt: jeder hält sich für berechtigt, zu nehmen, was er bekommen kann. Plünderungen, Schwarzhandel, Überpreise, zurückgehaltene Waren, das alles sind Zeichen, daß den Menschen nicht bloß das Gefühl von Mein und Dein vielfach abhanden gekommen, sondern daß sie auch gar kein Bewußtsein mehr haben von der sozia­len Hypothek, die auf jedem Eigentum liegt. Oder ich erinnere an das 8. Gebot. Die Saat Hitlers geht auf. Zwölf Jahre wurden wir be­logen und betrogen, und jetzt glaubt keiner mehr, daß er an die Wahrheit gebunden ist, daß er für die Wahrheit Opfer bringen muß, und die Ehre des andern ist keinem mehr heilig. Das Denunzianten­tum hat mit dem tausendjährigen Reich nicht aufgehört, es blüht weiter. Hitler hat nicht umsonst sechsundzwanzig Jahre gearbeitet.

Aussichtslos. Das Schlimmste in der Not ist immer, wenn man keinen Ausweg sieht. Wir sehen heute noch keinen Schimmer einer Morgenröte. Trotzdem bin ich und bleibe ich Optimist; das deutsche Volk wird auch diese Krise überstehen, ein Sechzig- Millionen- Volk kann nicht so leicht zugrunde gehen.

Machtlos. Darüber kann wohl kein Zweifel bestehen. Man kann nur sagen, womit man sündigt, damit wird man bestraft. Wir haben die Macht angebetet, wir haben Macht angesammelt noch und noch, und nun wurde sie uns buchstäblich aus den Händen geschlagen, rest­los, unwiederbringlich.

Rechtlos. Wir haben nach dem Buchstaben des Gesetzes zur Zeit überhaupt kein Recht. Wir sind auf Gnade und Ungnade dem Sieger überliefert. Wir haben nicht einmal einen Waffenstillstandsvertrag, von einem Friedensvertrag sind wir noch weit entfernt. Das ver­

5