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Drei Systeme sind zusammengebrochen: Der Nationalismus, der Militarismus und der Imperialismus.

Drei Systeme sind neu erwacht, die scheinbar tot waren: der Libe­ralismus, der Sozialismus und der Kommunismus.

Und wir? Die christliche Weltanschauung?

Wir stehen mitten drin. Was haben wir der Welt zu sagen?

Das ist unsere Situation, in großen Strichen gezeichnet. Lassen Sie mich darüber noch Näheres sagen.

Das materielle Chaos

Die deutsche Situation läßt sich mit folgenden Stichworten um­

grenzen:

Bodenlos. Was der Klassiker des Föderalismus, Konstantin Frantz, vor mehr als achtzig Jahren vorausgesagt, ist heute buchstäblich ein­getroffen. Das deutsche Volk ist bodenlos geworden, d. h. ein Viertel des deutschen Bodens ist endgültig verloren; die übrigen drei Viertel sind restlos von den Siegermächten besetzt, so daß ein Volk von mehr als sechzig Millionen keine Handbreit Boden hat, über die es frei verfügen kann. Das war noch nie da in der Geschichte.

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Kopflos, um nicht zu sagen führerlos, weil dieses Wort bei uns einen anderen Klang hat. Wir haben keine Regierung, denn das, was heute Regierung sich nennt, ist nur der Schatten einer Regierung. Aber das Schlimmste ist, daß wir keine einheitliche Militärregierung haben. Vier Großmächte teilen sich in die Regierung des deutschen Volkes. Zur Zeit ist die Zoneneinteilung für unser Volk, besonders für unsere Wirtschaft, wohl das größte Übel.

Obdachlos. Wohl mehr als zehn Millionen Deutsche haben kein Dach mehr über dem Kopf, in Bayern allein sind 37 000 Häuser mit 250 000 Wohnungen total zerstört, 15 000 Bauernhöfe vollständig vernichtet.

Mittellos. Es fehlt uns am Notwendigsten, was der Mensch zum Leben braucht: Nahrung, Kleidung, Wohnung. Das deutsche Natio­nalvermögen, das vor dem Krieg auf etwa 400 Milliarden geschätzt wurde, ist ungefähr zur Hälfte vernichtet. Die Schulden, die Hitler hinterlassen, betragen etwa 600 Milliarden; dazu die Reparations­forderungen, davon Höhe noch unbekannt ist. Papst Pius XII. hat vor kurzem gesagt: Das Gespenst des Hungers geht in der Welt um. Ein Viertel aller Menschen hungert. Wenn es den Machthabern der Welt nicht gelingt, über dieses Gespenst Herr zu werden, dann wer-­den in Bälde mehr Menschen durch Hunger umkommen, als der Krieg an Opfern verlangt hat.

Richtungslos. Schon vor dem Krieg haben führende Menschen immer wieder darauf hingewiesen, daß die Welt von heute innerlich

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