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In begreiflicher Aufregung fuhr ich mit dem Zug nach Benestroff. Unterwegs erzählten mir einige Kollegen, die schon eingestiegen waren, dass auch andere Mitbrüder aus der Umgegend verhaftet worden wären. In Bönestroff erwar- tete mich meine Schwester. Ich erfuhr von ihr, dass Pfarrer Klein von Val-de-Gueblange ebenfalls von der Geheimpolizei abgeführt worden war.

Mein Predigtthema passte zu diesem unvorhergesehenen Tagesereignis. Ein lothringischer Priesterheld der grossen Revolution soll uns gerade jetzt als Muster zur Nachahmung dienen. Während meiner Predigt rief mich jemand dringend ins Pfarrhaus. Es war ein Eilbote per Rad von Dieuze- ge- kommen, der mir mitteilte, die Sicherheitspolizei suche in Dieuze und. Umgegend den polnischen Geistlichen Hypolite Grzadka, der um diese Zeit seinen Landsleuten Exerzitien hielt. Die Gestapo sei nach Algrange verwiesen worden, wo- hin der Pole am Morgen abgereist wäre. Unser polnischer Kollege sass aber in der Kirche von Bönestroff. Ich liess ihn holen und bot ihm an, von Rech aus über die Grenze zu fliehen, denn damals stand unsere Recher Passeurorganisa- tion bereits in hoher Blüte. Abbe Grzadka wollte aber von Montois-la-Montagne aus die Flucht ergreifen. Meine Schwester löste ihm eine Fahrkarte bis Metz. Der Pole stieg mit Hilfe eines Eisenbahnbeamten an einer verbotenen Stelle in den Zug. Vorsicht war nötig, da die Anwesenheit eines Gestapoagenten in BEnestroff gemeldet war.

Am Mittwoch fuhr ich nach Metz. Hier waren durch Ge- heimboten Briefe einiger Verhafteten angekommen. Ich selbst brachte Nachrichten von imeinem Pfarrkind Guerner, der Kaplan Lang in Nancy gesehen hatte. Alle Ausgewiesenen waren auf freiem Fuss, ein Trost für uns, da wir befürchtet hatten, sie seien in ein Konzentrationslager gekommen. Donnerstags sprachen chanoine Herrig ‚und ich beim Ober- führer Dunkern vor, der uns die Ausweisung von rund hun- dert Priestern bestätigte. Wir legten energisch Protest ein und behaupteten, es läge kein genügender Grund für diese folgenschwere Zwangsmassnahmen vor. Nach zweistündiger Besprechung machte Dunkern folgende Zugeständnisse: 1. Pfarrer Goldschmitt ist ermächtigt, den Verbannten beilebig Kleider, Wäsche und religiöse Bücher persönlich nach Nancy zu bringen; 2. Pfarrer Goldschmitt erbringt eine Liste der Ausgewiesenen, die nach Lothringen zurückkehren wollen. Eine Ueberprüfung ihrer Akten würde erfolgen. 3.- Die Ver- bannten können über ihr Vermögen zugunsten ihrer' Ver- wandten verfügen. 4. Die Angehörigen der Vertriebenen, auch ihre Haushälterinnen dürften vorläufig in den Pfarrhäusern verbleiben. Dunkern verlangte von mir, die Bischöfe von Nancy und Saint-Die zu besuchen und ihnen im Auftrag der Gestapo bekannt zu geben, dass kein Ausgewiesener eine Pfarrstelle bekommen dürfe, die nicht mindestens zehn km von der Grenze entfernt liegst. Auch die neuen Adressen der Verbannten müssen angegeben werden.

Da war mir eine peinliche Aufgabe übergeben worden. Im Interesse meiner schwergeprüften Kollegen, mehr noch aus