Maße das Wort des großen Weisen von Weimar , daß wir, indem wir unsere Tugenden entwickeln, unsere Fehler zugleich mitanbauen. ,, Unsere Zustände schreiben wir bald Gott, bald dem Teufel zu und fehlen ein wie das andere Mal; in uns selbst liegt das Rätsel, die wir Ausgeburt zweier Welten sind." Der Größe unserer Tugenden und der Höhe unserer Leistungen entspricht die Gefährlichkeit unserer Fehler, wenn sie sich ohne Hemmung austoben können. In uns schlummern noch die Urkräfte des germanischen Heidentums, die vom Christentum nicht vernichtet, sondern nur in das Unterbewußtsein des nationalen Seelenlebens gedrängt worden sind. Sie sind an sich weder gut noch böse und können, um mit Schiller zu reden, eine wohltätige Macht werden, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. Über tausend Jahre hat sich in Deutschland das Christentum darum bemüht, und in der Tat haben diese lebendigen Kräfte der deutschen Seele auf allen Gebieten menschlicher Kultur und Zivilisation wahrhafte Wunder vollbracht. Die gotischen Dome und die deutschen Städte des Mittelalters, das Barock und die Renaissance geben davon Zeugnis. Durch die deutsche Landschaft, vom deutschen Volk gestaltet und geformt in ewig wechselnder Schönheit und Klarheit, sind sie alle geschritten, in deren Seele der göttliche Funke gefallen war, die großen Kanzelredner und weisen Mönche, die Denker und Politiker, die Erfinder und die Forscher. In den Urgründen deutscher Seele waren sie alle verankert: Meister Ekkehardt und Walter von der Vogelweide, Paracelsus und Erasmus von Rotterdam, Martin Luther und Jakob Böhme , Lessing und Herder, Kant und Schopenhauer , Kopernikus und Kepler , Marx und Engels , Lassalle und Bebel, List und Benz, Liebig und Planck. Auch die großen Feldherren der deutschen
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