IN schau genannt, sank vollends zu einer lächerlichen Karrikatur der Wirklichkeit herab. Das Publikum mied sie oder begleitete sie nicht selten mit unmißver- ständlichen spöttischen und kritischen Glossen. Die

Zeitungen erschienen im Liliputformat. Die Freizeit

der Bevölkerung war ausgefüllt mit Schanzarbeiten

und Barrikadenbau, zu denen Greise, Frauen, ja selbst Kinder gepreßt wurden. Die Luftschutzwarte, Block- und Zellenwarte und wie die kleinen und großen Zucht- hausaufseher des Dritten Reiches alle hießen, holten

sie zu diesem Zwecke an den Sonntagen schon beim Morgengrauen aus den Häusern. Gewiß, viele dieser

Funktionäre waren einwandfrei und selbst zu diesen Diensten gepreßt worden, ein großer Teil von ihnen terrorisierte jedoch die Bevölkerung mit der Geschäf- tigkeit kleiner Teufel, die kein größeres Vergnügen kennen, als das Feuer der Hölle zu schüren.

Das alles trug das Berliner Volk neben einer zwölf- bis vierzehnstündigen Arbeitszeit, die häufig auch noch in der Nacht lag. Diese Opfer waren durchweg er- preßt, abgenötigt von der unsichtbaren, aber stets gegenwärtigen Drohung mit der materiellen und phy- sischen Vernichtung des widerspenstigen Einzelmen- schen. Sie war das wirksame Machtmittel und der un- ausrottbare Wesenszug der nationalsozialistischen Po- litik. Die Opfer selbst blieben ohne Segen, denn sie waren falschen Göttern dargebracht. Der antike Herois- mus, von dem die Goebbelspropaganda faselte, bestand nur in den großsprecherischen Redensarten eben dieser Propaganda. Jede tiefere moralische Antriebskraft fehlte. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hatte die Nutz- und Sinnlosigkeit dieses Beginnens längst erkannt. Im Rachen des totalen Krieges war alles persönliche Glück verschwunden. Die Lebensum-

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