immer in den Konzentrationslagern. Das Schicksal ehrenwerter und tapferer Männer lag im Dunkeln. Ich selbst war gewissermaßen auf jederzeitigen Widerruf entlassen. Ich fühlte mich überwacht, meine Telefongespräche wurden abgehört, jederzeit mußte ich mit meiner Wiederverhaftung rechnen, um so mehr, als das herannahende Ende des Krieges die Gefahren für das Nazisystem und seine regierende Verbrecherclique unvermeidlich von Tag zu Tag steigern und damit ihren verschärften Terror hervorrufen mußte. Mit zynischer Offenheit haben führende Mitglieder der SS und der Gestapo wiederholt geäußert, daß die„, Abknallung" wenn nicht sämtlicher Lagerinsassen, so zumindest doch der politischen Gefangenen eine beschlossene Tatsache sei, wenn der Krieg für Deutschland unglücklich enden sollte. Daß es sich hier nicht etwa nur um eine leere Drohung handelte, bewiesen die erschütternden Berichte, die mir über die Liquidierung der Lager in den Ostgebieten zu Ohren gekommen waren. Ich wußte also wohl, welches Schicksal mir bevorstand, wenn ich erneut in die Klauen dieser sadistischen Mörderbanden geriet. Die Vernichtung aller Persönlichkeiten, denen man die Fähigkeit zutraute, zu organisieren, zu fühVernichtung vor ren, zu verwalten und zu regieren dem eigenen Untergang gehörte zu dem Programm dieser entmenschten Gesellschaft. Diese Absicht paẞte auch durchaus in das Bild der materiellen Vernichtung und stimmte überein mit der Politik der brennenden Erde, die das Naziregime über Deutschland heraufbeschworen hatte.
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Verzweifelt hielten die Menschen Ausschau nach dem Wunder, Ausschau auch zu Gott, an dessen Stelle sie seit zwölf Jahren einen Götzen gesetzt hatten. Das äußere Bild Berlins war entsetzlich, trotzdem war noch
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