schon tat. Die Stadt war noch so gut wie unversehrt, aber in den Gesichtern ihrer Bewohner spiegelte sich die bange Frage um das Morgen und das schließliche Schicksal ihrer Heimat in diesem Kriege. Wir selbst atmeten für wenige Stunden auf, denn unsere Augen ruhten nicht mehr wie in dem grausam zerfetzten Ber­ lin bei jedem Schritt auf dem Schutt und den Trüm­mern zerstörter Häuser, Wohn- und Kulturstätten. Das Gemüt fühlte sich für kurze Zeit etwas entlastet von der Schwere des Leids, der Not und der Verzweiflung, die fremdes und eigenes Schicksal ihm täglich aufbür­dete. Noch einmal prägte sich in die Erinnerung ein Bild dessen, was gestern war, die glückliche Unver­sehrtheit, die heute noch ist und die vielleicht in Mi­nuten schon für immer zerstört sein kann. Bis zum Nachmittag des Ostersonntags blieben wir in Ebers­ walde , dann fuhren wir nach Biesenthal , wo wir für den Rest der Feiertage Gäste von Helene Plottke wa­ren. Sie war die Witwe meines alten Freundes Paul Plottke, den man 1933 monatelang ins Lager Oranien­ burg gesperrt hatte. In Biesenthal war sie Besitzerin eines ausgedehnten Anwesens in geradezu idyllischer Lage. Auf der Höhe, im Mittelpunkt des Besitztums, erhebt sich das schöne geräumige Landhaus, das zur Zeit unseres Eintreffens außer der Besitzerin ein Kom­mando der Feldjägerei unter der Führung eines Haupt­manns beherbergte. Diese Einquartierung verriet gleich­falls die Nähe der Front.

Der Auffangapparat der Armee war reichlich beschäf­tigt. Schon vor Wochen hieß es, in Berlin drückten sich etwa dreißigtausend bis viertigtausend Deserteure in Zivilkleidern herum. Vielfach haben die verdoppelten und verdreifachten Streifen junge Leute in Frauen­kleidern festgenommen. Plakatanschläge verkündeten

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