im Leben keine Nacht, die nicht noch ihren Schimmer hätte.

Daß der Arbeitseinsatz des Lagers mit einem solchen Manne nichts anzufangen wußte, ist fast verständlich. Kurze Zeit arbeitete er im Büro eines großen Lager­werkes, dann mußte er wenige Tage vor seinem Ge­burtstag den Arbeitsplatz wechseln und Schrauben sor­tieren. Neunzig Russen, alte Kriegsgefangene aus dem Jahre 1941, waren seine Arbeitskameraden. Sie liebten ihn sehr und begrüßten sein Erscheinen stets mit einem russischen Volkslied. Das war für ihn jedesmal ein Er­lebnis, und seine Augen strahlten glücklich, wenn er mir nach Feierabend davon erzählte. Das Schrauben­sortieren war, keine schwere Arbeit, jedoch können zarte Künstlerhände dabei leicht Schaden nehmen. Fin­gerspitzen und Nägel werden wund, sodaẞ Rost ein­dringen kann. Phlegmone, Allgemeinvergiftung, ist die Folge. Am 11. November, zwanzig Tage nach meiner Entlassung, lag Ernst Musikus, so hieß er im Block nach seinem Geburtstag nur noch, tot in einem der armseligen Betten des Reviers. ,, Seine Asche" wurde den Angehörigen kostenfrei" zugestellt. Am 30. Dezember 1944 sind die sterblichen Überreste von Ernst Heinrich Bethge in Naumburg zur Ruhe gebracht worden. Nun verschläfst Du, lieber Freund, die Zeit, in der Du Dich von den Ketten befreit hofftest, in die man Dein künst­lerisches Wollen geschlagen hatte. An Dir und allen Kameraden, die Dir im Sterben im Lager vorausgegan­gen oder nachgefolgt sind, wird sich das Wort Virgils erfüllen: Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor! Erstehen wird aus eurem Staube ein Rächer!"

26.1

197