,, Ich habe mich immer von Jugend auf vor diesen Din­gen gehütet, sie nur parallel an mir vorüberlaufen las­sen. Zwar bezweifle ich nicht, daß diese wundersamen Kräfte in der Natur des Menschen liegen, aber er ruft sie auf falsche, oft frevelhafte Weise hervor. Wo ich nicht klar sehen, nicht mit Bestimmtheit wirken kann, da ist ein Kreis, für den ich nicht berufen bin. Ich habe nie eine Somnambule sehen mögen."

Wie ich später erfahren habe, ist Prof. Verweyen im März 1945 im Konzentrationslager in Belsen, wohin er nach meinem Weggang offenbar verbracht worden sein muß, verschieden. Weihnachten 1944 noch schrieb er in einem Brief: Die Wochen und Monate fliegen dahin im Wirbel der Ereignisse. Wohl denen, die einen ewigen, ruhenden Pol in sich tragen. Ich verbringe diese Jahre der Verbannung in unentwegter Heiterkeit und Gelassenheit des Gemüts und beklage vom inneren Leben aus wirklich keine verlorene Zeit. Im Gegenteil: Die Ernte ist riesengroß, die Bilanz positiver und akti­ver denn je, also Glück genug."

KAPITEL 11

In memoriam Ernst Heinrich Bethge ( geb. 12. 10. 1878, gest. 11. 11. 1944)

Wir lernten uns im Block 26 kennen. Zwei bis drei Wochen waren wir achtlos aneinander vorbeigegangen. Von Haus aus war Ernst Pädagoge, aber einer, der das ganze pädagogische Blendwerk von heute als nutz­losen Plunder ablehnte. Er hielt es für ein ganz un­geeignetes Mittel, die Jugend zum Idealismus und

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