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gründet, daß er Pfingsten 1944 vorausgesagt hatte, daß am 20. Juli des gleichen Jahres sich in Deutschland etwas ereignen werde, das in der ganzen Welt eine Sen­sation hervorrufen werde. Diesem Treffer standen aber Fehlspekulationen gegenüber, wie die Vorhersage des deutschen Zusammenbruchs für Mitte November 1944. Sie beeinträchtigten den Glauben an Rudis Unfehlbar­keit wieder stark. Gleich zu Beginn meiner Bekannt­schaft mit Verweyen fragte ich diesen, was er von Rudi halte. Der Kleine kann viel", antwortete er ,,, und hat erhebliche Kräfte in sich". Halten Sie überhaupt etwas von diesen Dingen", fragte ich ihn weiter. ,, Gewiß, sehr viel", erwiderte er ,,, sie gehören ja zu meinem wissen­schaftlichen Tätigkeitsgebiet, auf dem ich mich mit dem Spiritismus und verwandten Erscheinungen aus­einandersetzen muß." Prof. Verweyen war ein unbe­dingter Anhänger des Spiritismus. Seine Heranziehung als wissenschaftlicher Sachverständiger zu vielen Pro­zessen, die sich um die Glaubwürdigkeit von spiritisti­schen Medien drehten, war für ihn Anlaß geworden, sich mit dem Problem des Spiritismus besonders zu be­schäftigen. Statt die Medien als Betrüger zu entlarven, gelang es vielen von ihnen, ihn von der Tatsache und Wahrheit eines Verkehrs mit den Seelen Verstorbener zu überzeugen. Verweyen hat mir bei dieser Gelegen­heit erstaunliche Fälle, die man sich nicht erklären kann, berichtet. Es waren Geschichten, die der Phan­tasie E.T.A. Hoffmanns entsprungen sein konnten, nur mit dem Unterschied, daß das, was bei diesem roman­tischen Erzähler von vornherein als Märchen erscheint, hier als Wirklichkeit behauptet wurde. Trotzdem blieb ich skeptisch, denn ich stehe in diesen Dingen noch da, wo Goethe vor einhundert Jahren aufgehört hat. Am 10. Februar 1830 schrieb er an Friedrich von Müller :

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