zu edler Hingabe für die Gesamtheit zu entwickeln. In vielem sah er nur ein Mittel, die Fähigkeit auszubilden, materielle Güter zu erwerben oder zu erhalten, kurz, Geld und Reichtum anzuhäufen. Dahinter aber lauerte nach seiner Ansicht die Verderbtheit der Seele. Ihm war aber die Jugend das Höchste, sie war sein Himmelreich. Auch für sich träumte er von ewiger Jugend. Und wirklich war sein Denken und Tun selten jugendlich. ,, Lieber Erich, ich fühle mich noch gar nicht alt. Die meisten Menschen um mich herum kommen mir alle viel älter vor als ich selbst, auch wenn sie den Jahren nach viel jünger sind." Das beteuerte er mir wiederholt. ,, Ich habe noch viel zu tun," meinte er ein andermal ,,, mir steckt der Kopf voller Gedanken über das, was ich jetzt erlebe." So paradox es klingt: Zunächst war Bethge nicht ungern im Lager. Er betrachtete die ersten Wochen seines Aufenthaltes etwa so, wie der Forscher eine Exkursion in eine unbekannte Wildnis oder besser, wie einen Ausflug in die Hölle. Da gab es allerdings viel zu sehen, zu hören, in sich aufzunehmen, auch wenn man sich selbst den Gesetzen dieser verrückten Lebensgemeinschaft beugen mußte. ,, Ich bin geradezu froh," sagte er mir ,,, daß mich das Schicksal noch hierher geführt hat. Wie hätte ich sonst diese Zustände, diese unerhörten Qualen, die schamlose Erniedrigung, überhaupt diesen unbegreiflichen Irrsinn verstehen können, wenn ich dies nicht alles selbst gesehen und erlebt hätte." Er wollte die Geschehnisse, die hier vor ihm abrollten, dichterisch für Film und Bühne verarbeiten. Früher als alle seine Kameraden legte er sich am Abend auf das armselige Lager. Im Schlafraum grübelte und dichtete er. Es war nicht möglich, etwas aufzuschreiben.„ Das macht nichts," erklärte er mir ,,, ich habe jetzt alles im Kopf,
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