daß Nedoma seit vier Jahren im Lager weile und frü­her zum Block 26 gehört habe. Er trug seinen Namen jetzt mit recht, denn Nedoma heißt auf deutsch : Nicht­zu- Hause. Clemens rief ihn herbei, denn Nedoma ar­beitete in einem benachbarten Block als Strumpfstop­fer. Die Überraschung und die Freude über dies un­verhoffte und eigenartige Wiedersehen war auf beiden Seiten gleich groß. Am nächsten Nachmittag bereitete ich in meinem Block einen Imbiß, den ich aus den Schätzen meines Vorrates und unter gütiger Mithilfe von Clemens verhältnismäßig reichlich gestalten konnte. Dann rief ich Nedoma und hielt folgende Ansprache: ,, Lieber Herr Ministerialrat, es hat mich schon immer bedrückt, daß ich bisher nie Gelegenheit gehabt habe, mich für das Bankett der tschechisch- slowakischen Re­gierung, das mir aus dem Jahre 1931 in so angeneh­mer Erinnerung ist, zu revanchieren. Ich begrüße es daher, daß ich jetzt, wenn auch in wenig angenehmer Umgebung, und unter tragisch veränderten Umstän­den, sowie mit großer Verspätung in der Lage bin, mich dafür erkenntlich zu zeigen. Nehmen Sie bitte Platz und genießen Sie hier das wenige, das ich Ihnen bieten kann." Nedomas Augen wurden feucht. Wir plauder­ten eine halbe Stunde über vergangene Tage. Inzwi­schen waren wir beide alt und grau geworden, aber in unseren Herzen lebte noch immer die Sehnsucht nach der Freiheit und der Wille, mitzuhelfen, daß unsere beiden Völker sich gegenseitig verstehen lernten. Ne­doma litt sehr unter der langen Dauer der Haft. So oft ich ihm in der Folge begegnete, suchte ich ihn auf­zurichten. Das Heimweh nach Prag , nach der Familie packte ilm immer wieder. Besonders nachdem er die Hoffnung schwinden sah, daß der Krieg noch im Herbst zu Ende gehen werde und er Weihnachten im

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