reichliche und vorzügliche Lebensmittel zuführte. Die Wohltat, Lebensmittel von draußen empfangen zu dürfen, genossen die Häftlinge übrigens nicht von Anfang an. Dieses Zugeständnis machte die Lagerleitung erst im Laufe des Krieges. Anfänglich haben manche SS - Leute, in deren Händen die Ausgabe der Pakete lag, diese so lange zurückgehalten, bis der Inhalt verdorben und ungenießbar geworden war. An einem Weihnachtsabend hat ein SS- Mann die für die Häftlinge angekommenen Liebesgaben so durcheinandergeschüttelt, daß sie zerbröckelten und verdarben, wie die Freude, die sie den Empfängern bereiten sollten. Solche Ausschreitungen kamen jetzt nicht mehr vor oder waren doch selten geworden.
Clemens Böhm war ein guter Koch, was allerdings Otto, der Blockälteste, nicht wahrhaben wollte. Er behauptete, ein besserer Schüler des Lukullus zu sein als Clemens. Er hatte seine Kochkunst im Zuchthaus erlernt, das er vier- bis fünfmal erfolglos absolvierte, und er war stolz auf seine Taten, die er mir alle haarklein erzählte. Wenn ich manchmal ungläubig den Kopf schüttelte, holte er einen Kronzeugen aus einem anderen Block, der mir seinen Ruhm bestätigen mußte. Ja, er bedeutete schon etwas in seinem Fache, mein neuer Vorgesetzter. Während des ganzen ersten Weltkrieges saß er im Zuchthaus, in einer Zeit also, in der viele der Häftlinge die er jetzt stolz kommandieren durfte, ihre Gesundheit und ihr Gut dem Vaterlande opferten. Mit zwei Komplizen hatte er als blutjunger Mensch nachts in der Elisabethenkirche zu Marburg an der Lahn den Sarkophag der heiligen Elisabeth erbrochen, Gold, Juwelen und Altargeräte, kulturhistorische Gegenstände von höchstem Werte, an sich genommen und unter seine verbrecherischen Helfer verteilt.
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