Tausenden von Jahren noch die Psalmen Davids und Salomons auf die Menschen. Noch nach Äonen werden die Sterblichen die Stimmung in Goethes Abendlied nachempfinden, weil ewige Urgefühle der menschlichen Seele aus ihr sprechen. Aber Musik anzuhören in Lebensverhältnissen, die das teuflische Gegenstück aller göttlichen Harmonie sind, war eine Qual, die schmerzlicher sein konnte, als körperliche Mißhandlung. Manchen Kameraden hörte ich in seinem Bette leise weinen. Vielleicht wird einmal die Zeit kommen, in der ein Gott einem Menschen gibt zu sagen, wie sie litten. Jetzt galt es in seiner Qual zu verstummen.
Ich war noch immer nicht dem Arbeitseinsatzleiter vorgestellt. Diesen Vorzug teilte ich mit einigen anderen. Bei ihnen war es verständlich, denn sie wurden bald entlassen. Untätig waren wir trotzdem nicht. Wir wurden im Büro der Effektenkammer eingesetzt, die in diesen Tagen zu einer wahren Notenanstalt geworden war. Ganze Kisten voll polnischer Banknoten standen vor uns. Dicke Bündel von 50-, 100-, 500- und 1000Zloty- Scheinen, die frisch aus der Notendruckerei gekommen zu sein schienen, lagen neben schmutzigen Scheinen höheren und ganz geringen Wertes. Man hatte sie den Polen abgenommen, die bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes gefangen genommen worden waren und jetzt täglich zu Hunderten in Sachsenhausen eintrafen. Das wiederholte sich einige Tage später bei den zahlreichen Holländern, die das Lager aufnehmen mußte. Da sie vielfach bereits aus anderen Lagern, z. B. Herzogenbusch kamen, waren sie mit Geldwerten nicht so üppig ausgestattet wie die Polen . Einer dieser Holländer wurde übrigens bei der Aufnahme in der Entlausungsanstalt plötzlich von allen Seiten beglückwünscht. Zunächst wußte er nicht, wieso
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