er zu dieser Aufmerksamkeit kam, bis er erfuhr, daß er die Häftlingsnummer Einhunderttausend zu tragen habe. Um sechstausend war also die Belegung des La­gers in den zwei bis drei Wochen seit meiner Einlie­ferung erhöht worden.

Vier bis fünf Tage zählten wir polnische Noten und bündelten sie, ein Geschäft, das gewissenhaft ausgeführt werden mußte, aber doch so langweilig war, daß ich wiederholt eingeschlafen wäre, wenn nicht mein lieber Freund Reinhold aus Müggelheim mit einem guten Witz die Lebensgeister immer wieder aufgefrischt hätte. Wir zählten 2 Millionen Zloty. Ich dachte manchmal: wenn diese Noten erzählen könnten! Wie waren die Menschen, bei denen es sich zumeist um arme Leute handelte, in ihren Besitz gekommen? Wie viele ver­frühte Hoffnungen hatten sich wohl an diese Geld­scheine geknüpft!

Stille, aber gute Kameraden waren die beiden Norwe­ger, die uns beim Zählen halfen. Als sie merkten, wen sie vor sich hatten, gingen sie mehr aus sich heraus. Sie charakterisierten Quisling als einen ehrgeizigen Lumpen. Ich brachte das Gespräch auf Knut Hamsun . Guter Dichter, aber schlechter Politiker und ein alter Mann, der nicht mehr begreift, was in Deutschland tatsächlich vor sich geht, lautete ihr mildes Urteil. Wie berechtigt die Zurückhaltung manchem Häftling gegenüber war, erfuhr ich gerade während meiner Tä­tigkeit als Geldzähler. Mit uns waren zwei Holländer beschäftigt, in denen durch die Ironie des Schicksals in Vorwegnahme einer späteren Gerechtigkeit einmal die Richtigen ins Lager gebracht worden waren. Sie hatten als holländische SS- Männer im Polizeidienst ge­gen eigene Landsleute Verwendung gefunden. Wegen Annahme von kleinen Geschenken waren sie, wie sie

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