erhalten und brauchte nicht mehr barfuß zu gehen. Das erregte im Block größtes Aufsehen. Später erhielt ich ein Paar Holzpantoffeln, die ein sorglicher Freund gestiftet hatte, überließ sie aber einem alten Kameraden. Auch die Hausschuhe, die dem ersten Paket beilagen, schenkte ich einem frierenden Kameraden, und da ich nun im Besitze eigener Wäsche war, konnte ich das von Hermann gestiftete Hemd einem gegen die Kälte des Morgens besonders empfindlichen Häftling geben. Man kann sich in der Freiheit kaum eine Vorstellung davon machen, welchen Wert in einer so erbärmlichen Lage wie der unsrigen die unscheinbarsten Gegenstände, die im normalen Leben schon als verbraucht beiseite gelegt worden waren, wiedergewinnen können. Etwas Bindfaden, mit dem sich der Häftling ein Holzbrettchen oder ein Stück Pappe am Fuße befestigen konnte, um sich auf diese Weise wenigstens etwas vor der Bodenkälte zu schützen, machten ihn glücklich. Meine armen Kameraden wohnten meist nicht in Ber lin . Ihre Pakete konnten nicht einfach am Tore des Lagers abgegeben werden und ihre Angehörigen erfuhren oft erst nach Wochen ihren gegenwärtigen Aufenthalt. Daher trafen die für sie bestimmten Pakete meist mit großer Verspätung ein. Ihnen gegenüber war ich nun reich geworden. Ich hatte Zigarren und Zigaretten und war selbst Nichtraucher. Ich hatte Wurst, Obst, Kuchen, Büchsenmilch, Marmelade, Honig und das wichtigste für das Lager: Brot! Brot! Brot! Das Mitleid und die Liebe der Menschen, die von meinem Schicksal erfuhren, trieb mir schon von Anfang an die Pakete in rascher Folge zu. Ich konnte spenden und ich tat's. Bald hatte ich auch eine bessere Hose, und mancher Kamerad gewann durch meine Vermittlung kleine Vorteile und Erleichterungen.
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