tochter, die gleichfalls versuchten, einen Besuch bei mir durchzusetzen, hat die Lagerwache abgewiesen. Dagegen hat das Reichssicherungshauptamt meiner Schwiegertochter einmal einen Besuch bewilligt. Meine Sekretärin hatte allerdings noch etwas mitgebracht, das mindestens ebenso stark zog wie das wichtigste Akten­material. Das waren Zigarren und Zigaretten, auser­lesene Früchte und andere schöne Dinge, die selten geworden waren. Zigaretten entpuppten sich im Lager als wahre Wunderstäbchen, als ein Sesam öffne dich. Vor ihnen kapitulierte erst die Lagerwache und dann auch der Leiter der politischen Abteilung, im Zivil­beruf ein simpler Kriminalsekretär, der sich hier im Lager aber als große Kanone aufspielte. Auch Obst wurde nicht verschmäht.

Meine Sekretärin war über mein Aussehen entsetzt und darüber, was die Gestapo innerhalb einer Woche aus einem leidlich kultivierten Menschen gemacht hatte. Die Unterhaltung dauerte 40 Minuten. Fräulein B. konnte mir noch Post zustecken, die ich über die La­gerzensur gar nicht oder nur mit großer Verspätung erhalten hätte. Da ich das vorgelegte Arbeitspensum in den 40 Minuten, die für die Rücksprache gestattet wurden, nicht erledigen konnte, bot mir der Leiter der politischen Abteilung, Erdmann, an, mir am nächsten Tage in seiner Abteilung ein Zimmer für zwei bis drei Stunden zur Verfügung zu stellen, damit ich die geschäftlichen Dinge in Ruhe erledigen könne. Bevor ich mich von ihm verabschiedete, fragte ich, noch in Anwesenheit meines Besuches, ob ich den Läufer rich­tig verstanden hätte und jetzt die Schuhe wieder ab­geben müsse. Erdmann errötete und sagte verlegen: Selbstverständlich können Sie die Schuhe behalten." So hatte ich dank dieser List nach vier Tagen Schuhe

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