wehrlosen Menschen schlagen zu sehen. Meine Augen wollten sich zuerst gar nicht daran gewöhnen. Später freilich mußten sie noch ganz andere Dinge mit an­sehen. Von Eduard sagte man, er habe nach seinen Anfällen manchmal geweint. Er hatte verlernt, sich zu beherrschen. Die Lagerpsychose hatte seine Seele ruiniert. Eine Beschwerde gegen solche Ausschreitun­gen wäre sinnlos gewesen. Die Lagerfunktionäre be­kamen vom Lagerältesten und der Lagerleitung im­mer recht. Die nächste Folge wäre die Versetzung in einen Erziehungs- oder Strafblock gewesen, wo der Empfang darin bestand, daß dem Häftling zunächst einmal zehn Stockhiebe auf den unteren Teil des Rückens versetzt wurden. In ernsteren Fällen drohte der Abtransport nach Mordhausen. Das war der Name, den die Häftlinge dem berüchtigten Lager Mauthau­ sen beigelegt hatten. Dort wurden solche Methoden der Behandlung und der Arbeitsweise praktiziert, daß der Unglückliche binnen kurzem ein toter Mann war. In unserem Lager selbst wurden häufig öffentliche Hinrichtungen vollzogen. Ich habe diese Prozedur während meines Aufenthalts einige Male mit ansehen müssen. Für einen Menschen mit Kulturbewußtsein waren das immer entsetzliche Augenblicke. Zwanzig Minuten mußten wir stehen und warten, bis der arme Teufel sicher ausgelitten hatte. Vor der Hinrichtung wurde das vom Oberhenker Himmler bestätigte Urteil in drei oder vier Sprachen verlesen. Die Opfer benah­men sich in der Regel sehr würdig. Sie legten sich den Strick selbst um den Hals. Manche warteten nicht, bis ihnen der Henker das Brett unter den Füßen fortzog, sondern sprangen von selbst in die Tiefe. Bei den Verurteilten handelte es sich meist um Häftlinge, die einen miẞglückten Fluchtversuch hinter sich hatten.

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