sich schon auf den tiefsten Stand heruntergedrückten Lebensverhältnisse des Lagers mehr und mehr zu einer unerträglichen Qual. Alles vollzog sich in einem Gewimmel, als ob ein Knäuel von Würmern durcheinanderkröche. Dazu hörte man alle Sprachen Europas . Vor meiner Einweisung in ein solches Lager hätte ich nie geglaubt, daß es ein Mensch länger als ein paar Tage in derartigen Verhältnissen aushalten würde. Der Wahnsinn grinste uns aus allen Ecken an. Ich habe die Auflösung des Lagers nicht mit erlebt, aber ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich die Zustände in allen deutschen Lagern zu jener einmaligen Schweinerei entwickelt haben, die englische, amerikanische und russische Truppen bei ihrem Vormarsch vorfanden. Solange Post und Eisenbahn noch einigermaßen funktionierten, konnte die Lage der Gefangenen von außen her etwas erleichtert werden. Die Annahme von Lebensmittelpaketen in jeder Zahl und zu jeder Zeit war erlaubt. Von seltenen Ausnahmen abgesehen, kam der Empfänger auch tatsächlich in den Besitz seiner Pakete. Einige Ausländergruppen, zum Beispiel die Nor weger und die Tschechen, empfingen Liebesgaben in so reichlicher Weise, daß sie sich von der Lagerkost weitgehend unabhängig machen konnten. Auch die Pakete des Roten Kreuzes, von denen viele ältere deutsche Häftlinge reichlich abbekamen, hatten eine wohltätige Wirkung. Trotz der wachsenden Lebensmittelknappheit im Reiche hatten auch die Angehörigen der deutschen Gefangenen für ihre unglücklichen Väter und Brüder immer noch etwas übrig. Ja, ganz fremde Menschen haben, wie ich es persönlich erlebte, oft in einer rührenden Weise durch Spenden ihre Sympathie mit den Opfern des Nazisystems zum Ausdruck gebracht und sich innerlich von der Schande losgesagt, die das Dritte
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