daß das Lager zur Zeit unseres Eintreffens hinsichtlich der Ernährung, der allgemeinen Zustände und der Behandlung, verglichen mit der Zeit von 1941, geradezu einem ,, Sanatorium" gleichkomme. Das Lager sei, so erklärten sie uns, damals eine reine Vernichtungsanstalt gewesen, jetzt sei es ein Arbeitslager geworden. Das war wohl auch der Grund für die etwas bessere Verpflegung, denn um überhaupt arbeiten zu können, bedarf es eines Minimums an Kalorien und einer gewissen Freizeit.
Die Zahl der Häftlinge bewegte sich in der Zeit von August bis Oktober 1944 zwischen dreißigtausend und zweiundvierzigtausend Mann. Es war die Zeit der Rückzüge im Osten und Westen. Hals über Kopf mußten die großen Konzentrationslager in Polen , Frankreich , Holland , Belgien und Westdeutschland aufgelöst werden. Unter den entsetzlichsten Transportbedingungen wurden die Häftlinge in die mitteldeutschen Lager verschleppt. Oft trafen täglich eintausend bis eintausendfünfhundert neue Insassen ein: Polen , Russen, Ukrai ner , Franzosen, Belgier, Holländer. Dazu kamen wir, die Opfer der Aktion Gitter. Der Lagerkommandant von Sachsenhausen soll sich wiederholt geweigert haben, neue Transporte anzunehmen. Es ist in dieser Zeit vorgekommen, daß lange Transportzüge voller Gefangenen, die eine Reise von Tagen stehend und eng zusammengepfercht zurückgelegt hatten, auf dem Bahnhofe Oranienburg über Nacht stehenblieben und am anderen Tage nach einem anderen Lager im Reich umdirigiert wurden. Diese Menschen hatten keine Möglichkeit, den Wagen auch nur für Augenblicke zu verlassen. Kann sich jemand vorstellen, was sie zu erdulden hatten? Dantes Höllenvisionen verblassen dagegen. Infolge der wachsenden Überfüllung wurden die an
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