Granitsteinen beworfen. Zwei Aufseher, die selbst Häftlinge waren, kommandierten diesen sonderbaren Trauermarsch, der für zahllose bisher gesunde und starke Menschen ein Marsch in den Tod geworden ist. Nur ganz kräftige Naturen überstanden diese Tortur ohne bleibenden Schaden für ihre Gesundheit.
Vom Appellplatz aus, dem Eingangstor gegenüber, liefen die Barackenstraßen fächerartig aus, sodaß der Platz in dieser Richtung von den Seitenwänden einer Barackenreihe begrenzt wurde. Die Baracken, Blocks genannt, waren grün angestrichen. An den Giebelseiten trugen sie weiße Inschriften, die zusammen eine moralisierende Mahnung an die Häftlinge darstellten: Es gibt einen Weg zur Freiheit. Seine Meilensteine heiBen: Gehorsam, Fleiß, Sauberkeit, Wahrheitsliebe, Ordnung, Disziplin, Treue und Liebe zum Vaterlande. Es ist möglich, daß ich eine Phrase vergessen habe, denn leere Worte waren es, deren echter Sinn mit dem Treiben der Nazis im schroffsten Widerspruch stand. Waren doch zum Beispiel hier Tausende von Bürgern fremder Länder lediglich wegen der Liebe zu ihrem Vaterlande eingesperrt.
Nach langem Warten wurden wir in die Barackenstadt abgeführt. Die erste Station war die Entlausung. Selbstverständlich hatten wir keine Läuse. Trotzdem wurden wir pro forma durch die Anlage geschleust, da in ihr zugleich die erste Aufnahme der Personalien für die Lagerkartothek und die Nummerierung der Häftlinge erfolgte. Die Art, wie die Prozedur an uns vollzogen wurde, trug alle Formen bewußter Demütigung und Herabwürdigung. Wir mußten uns ausziehen. Geld und Wertsachen waren abzugeben. Die Zivilkleider kamen in einem Sack in die Effektenkammer. Dann trat ein grobschlächtiger polnischer Häftling an uns heran, um
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