Treppenhaus. Auf ihm befanden sich auch die Klosett­anlagen. Die Überwachung des Korridors war mäßig, was eine etwas freiere Bewegung gestattete; gelegent­lich konnten auf ihm sogar kleinere Spaziergänge ge­wagt werden. Dabei entdeckte ich, welcher Bestim­mung das Gebäude früher gedient hatte. Es war das ehemalige jüdische Altersheim. Von ihm hatte ich noch vor ein bis zwei Jahren die entsetzlichsten Dinge ge­hört. Zunächst wurden da die alten Juden, soweit sie bei der, Entjudung von Berlin ", wie man die Massen­exmission der jüdischen Bevölkerung aus der Reichs­hauptstadt geschmackvoll nannte, zurückbleiben muẞ­ten, in einer so qualvoll fürchterlichen Enge zusam­mengepreßt und so mangelhaft ernährt, daß sie binnen kurzem zugrunde gingen. Als dann die Entjudung Ber­ lins immer weitere Kreise zog, diente dieses Altersheim zusammen mit anderen Gebäuden der jüdischen Ge­meinde als Sammelstelle für Juden aller Altersklassen, deren Ausbürgerung und Verschickung nach Auschwitz oder Theresienstadt vorbereitet wurde.

Getreu der Feststellung im ,, Faust", daß auch die Hölle ihre Gesetze hat, war die Gestapo im Zusammenwirken mit der SS dazu übergegangen, außerhalb des norma­len Zivil- und Strafrechts ein besonderes Regulativ für die Behandlung der jüdischen Bevölkerung aufzustel­len. Die Juden wurden ausgebürgert". Das ging sehr einfach vor sich. Die Gestapo holte die Juden aus den Wohnungen ab und schleppte sie in die erwähnten Sam­melstellen. Dabei durften sie nur Gegenstände des not­wendigsten Bedarfs mit sich führen. Gleichzeitig verlo­ren sie alle Rechte in Deutchland. Ihr Eigentum ging in den Besitz des Reiches, besser gesagt der SS und Ge­ stapo über. Wie diese das geraubte und gestohlene Gut denn anders läßt sich dieser Akt doch wohl nicht

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