mauern hinweg in die Welt, aus der man uns gerissen hatte, hin zum Heim, zum Beruf, zur Familie und zu allen Menschen, die uns liebten und um unser Schick­sal bangten. Diese Welt, aus der man uns entfernt hatte, war wahrlich keine Welt der Freiheit. Sie glich, je länger je mehr, einem Riesengefängnis. Uns hatte man nur in seine schlechtesten Gemächer gesteckt; aber wir wußten, daß hinter dem Dunkel eine neue Welt aufging. Diese Gewißheit hielt uns aufrecht. Sechs Uhr morgens mußten wir aufstehen. Die einzige Tätigkeit, die wir ausüben durften, war das Ordnen der Betten und das Reinigen der Zelle. Hierbei wurde die Tür höchstens fünf Minuten geöffnet, so daß ein Zug frischer Luft uns für kurze Zeit von der heißen und stickigen Atmosphäre befreite, die den Raum Tag und Nacht erfüllte. Den Korridor selbst durften wir nur betreten, wenn wir das Essen faßten. Dieses be­stand morgens und abends in einer Schüssel schwarzen Ersatzkaffees, mittags einer mageren Gemüse-, Grieß-, Graupen- oder Sagosuppe. Dazu gab es die knappe, aber noch gerade ausreichende Brotration, etwas Mar­garine und einmal trockenen Käse. Die Zeit, zu der wir zu Bett gehen wollten, durften wir selbst bestimmen. Da die Zelle einer künstlichen Beleuchtung entbehrte, richtete sich dieser Zeitpunkt nach dem Tageslicht. In unserer kleinen Schicksalsgemeinschaft von zehn Mann waren außer mir nur zwei Kameraden schon einmal in ihrem Leben zur Untätigkeit in einer Gefängniszelle verurteilt gewesen. Wir drei wußten, was das heißt und waren innerlich dagegen gewappnet. Die anderen muß­ten sich an ihren neuen Zustand erst gewöhnen.

Die freie Natur des Menschen bäumt sich mit aller Macht auf, sobald die Tür ins Schloß der Gefängnis­zelle fällt und das unheimliche Geräusch des Schlüs­

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