lose, alles bunt durcheinander. Auch viele Ausländer waren darunter. Nachdem wir unsere Wertsachen ab­gegeben hatten, mußten wir in einem Buche, in das die Namen der Häftlinge eingetragen waren, die Un­terschrift leisten. In einer Rubrik waren die Straftaten verzeichnet. Neben den üblichen Delikten, wie Dieb­stahl, Einbruch, Körperverletzung, lasen wir Hoch- und Landesverrat und die Bezeichnung ,, Sonderaktion Git­ter". Diese Worte standen vor unseren Namen. Im Voll­zug einer Sonderaktion, die den Namen Gitter trug, sind im Monat August 1944 in Deutschland Zehntau­sende von Menschen verhaftet worden, die den ehe­maligen Linksparteien oder dem Zentrum angehörten. Nachdem wir die peinliche Leibesvisitation, bei der wir uns bis aufs Hemd entkleiden mußten, hinter uns hatten, wurden wir in eine Zelle des ersten Stockwerks geschoben. Hier wurde ich mit großem Hallo begrüßt, da zahlreiche Bekannte bereits vor mir eingeliefert worden waren, darunter die früheren Reichstagsabge­ordneten des Zentrums, Dr. Vocke, Dr. Krone und Dr. Respondeck. Sie hatten schon einige Tage lang das Ver­gnügen, hier über die Herrlichkeit des Daseins nachzu­denken. Die Zelle mochte etwa fünfunddreißig bis vierzig Quadratmeter groß sein. Die eine Hälfte war von den zwölf eisernen Betten ausgefüllt, von denen je zwei über­einander standen. Jeder Inhaftierte hatte sein eigenes Bett. Man lag auf einem Strohsack und hatte als Zudeck eine Wolldecke. Beides war mit bunter sauberer Wä­sche überzogen. Verglichen mit den Zuständen, die ich wenige Tage später im Konzentrationslager antraf, waren die Einrichtungen hier beinahe komfortabel zu nennen. Man darf dabei aber nicht übersehen, daß wir gewissermaßen nur Gäste der ordentlichen Polizei wa­ren, die vorübergehend Räume bereitstellen mußte,

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