an Verständnis dafür, daß die Mächte, die den Staat beherrschen, einmal in die Lage kommen können, die führende Schicht ihrer Gegner aus Gründen der Staats­sicherheit vorübergehend vom Volke zu isolieren. Das ist zwar immer ein Zeichen von Schwäche, aber es ist zu allen Zeiten und unter allen Regierungsformen vor­gekommen und wird sich wohl auch in Zukunft nicht ganz vermeiden lassen. Auch Grausamkeiten und For­men des Massenterrors gegen politische und weltan­schauliche Gegner sind an sich keine neue Erschei­nung. Sie erfolgten bisher jedoch meistens im aufre­genden Gewühl des Bürgerkriegs, auf den Höhepunk­ten des unmittelbaren Kampfes um die Macht, wenn die menschlichen Leidenschaften bis zur Siedehitze ge­stiegen waren. Ereignisse dieser Art sind aber einma­lige, rasch abklingende Explosionen im Leben der Völ­ker und können mit normalen moralischen Maßstäben nicht gemessen werden. Was wir aber im Dritten Rei­che erlebten, ist damit überhaupt nicht zu vergleichen. Da wurden die menschliche Entwürdigung des Gegners, der Terror, der Mord und die grauenvolle Hinschlach­tung von Millionen unschuldiger Menschen aus rassi­schen Gründen mit kaltblütiger Berechnung zu einer dauernden Staatseinrichtung erhoben, also geradezu zu einer Verfassungsgrundlage gemacht. Selbstverständ­lich entbehrte diese Methode jeder gesetzlichen Vor­aussetzung. Sie war einfach da als eine illegale Gewalt, die neben der legalen Gewalt und dem legalen Staats­apparat ihr Eigenleben führte und in jedem Falle stär­ker war als die legale Staatsgewalt. In zahllosen Fällen hat der Richter dem Angeklagten erklärt: ,, Vor dem Gefängnis konnte ich Sie retten, was aber die Gestapo mit Ihnen machen wird, steht nicht in meiner Hand." Zu was auch noch ein Prozeß! Davon war im Reiche

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