auf die Leimrute dieser Leute gegangen und hat seine Unvorsichtigkeit mit langjähriger Haft büßen müssen. Als ich später aus der geschlossenen Gemeinschaft der marxistischen Funktionäre herauskam, begegnete ich hin und wieder auch einem Nationalsozialisten als Häftling im Lager. Hierbei handelte es sich in der Regel um Persönlichkeiten, die entweder ihrer Sehnsucht nach dem Besitz politischer Gegner oder ihrer Unzufriedenheit mit dem Gang der Ereignisse nach der Machtergreifung zu deutlich Ausdruck gegeben hatten. Es waren Vorboten des 30. Juni 1934. Allen diesen Erscheinungen gegenüber war höchste Vorsicht am
Platze.
Mittlerweile ging der herrliche Sommer 1933 vorüber. Bei klarem Wetter leuchteten die weißen Häupter der Schweizer Berge vom Süden herüber. Eine unbezwingbare Sehnsucht nach der freien demokratischen Schweiz ergriff uns alle. Sehnsucht ist die Qual der Qualen, das Absterben ohne Tod. Manchen hat sie zu einem Fluchtversuch verlockt. Die Sirenen und die Alarmschüsse, die in einem solchen Falle einsetzten, ertönten häufig. Unsere Gedanken und Gebete waren dann bei den Flüchtlingen. Immer wieder gelang es einigen, nach der Schweiz oder nach Österreich zu entkommen, wo sie sich in der Sehnsucht nach der alten Heimat verzehrten, die ihnen über ein Jahrzehnt verschlossen bleiben sollte, wenn sie den brutalen Exerziermeistern des Nazismus' nicht von neuem in die Hände fallen wollten. Viele haben ihre Liebe zur Freiheit mit dem Tode bezahlt. ,, Auf der Flucht erschossen". Diesen Tod fanden in Deutschland von 1933 bis 1945 Tausende von politischen Häftlingen, darunter zahllose, bei denen ein echter Fluchtversuch überhaupt nicht vorlag. Häufig genug wurde die günstige Gelegenheit, einen
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